"Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles"
12.01.2019, 20:00 UhrDie Briefe, die Theodor Fontane und seine Frau Emilie wechselten, gewähren Einblicke in die Höhen und Tiefen einer Dichterexistenz und zeichnen das lebendige Bild einer starken Frau, die aus dem Schatten ihres Mannes tritt. Der Fontane-Experte Gotthard Erler hat die überraschendsten, schmerzlichsten wie schönsten Briefe des Ehepaars zusammengestellt. Es lesen Jutta Wachowiak und Christian Grashof.
Diese Korrespondenz umspannt ein halbes Jahrhundert, von den Botschaften der Frischvermählten bis zu Fontanes letztem Brief, geschrieben an seinem Todestag. Lange Phasen der Trennung, bedingt durch dienstliche und schriftstellerische Verpflichtungen, aber auch durch die schwierige wirtschaftliche Lage der Familie, werden durch Briefe überbrückt. Wie das Gespräch in Zeiten der Nähe, so gehört der ununterbrochene, zuweilen überbordende briefliche Austausch zum Wesen dieser Künstlerehe. Eine anschauliche Kultur- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts.
Vor allem Emilie Fontanes Bild gewinnt hier Gestalt wie nie zuvor. Emilie erweist sich als fast ebenbürtige Partnerin Fontanes, die witzig und lebendig die aktuellen Lebensumstände schildert, souverän an seiner Arbeit Anteil, die vor allem aber zauberhafte Liebesbriefe schreibt. Zum Missfallen der Brautfamilie hatte der Habenichts Theodor Fontane 1850 Emilie Kummer geheiratet und sie in eine talerabhängige Existenz geführt. In der fast 50 Jahre währenden Ehe spielen Briefe eine bedeutende Rolle. Ihre Sehnsucht nach Geborgenheit bleibt ein ständiges Dilemma dieser Ehe. Mit vier Kindern, die sie häufig alleine aufzuziehen hat, und drei weiteren Söhnen, die zwischen 1852 und 1855 im Säuglingsalter sterben, ist dieser Wunsch nach sozialer Absicherung nur verständlich. Viele der Briefe sind Liebesbriefe, voller Zärtlichkeit und Sinnlichkeit. Eine Ehe in Briefen, die es an Spannung mit Fontanes Romanen durchaus aufnehmen kann.