Mittelmole Warnemünde: Bürger lehnen Wohnen weiter ab


11. Oktober 2021

„Bürgerbeteiligung ist kein Wunschkonzert“, stellte Constanze Ackermann vom Hamburger Büro Urbanista gleich zu Beginn der gut dreieinhalbstündigen „Prüfwerkstatt Mittelmole“ im Technologiepark Warnemünde klar. Vielmehr würde ein Rahmen vorgegeben und innerhalb dessen dürfe die Bevölkerung mitbestimmen.

Vor zwei Jahren hatte Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen den Neustart für die Entwicklung der Mittelmole ausgerufen (DWM berichtete). Zu verhärtet waren die Fronten. Urbanista wurde damit betraut, die Bürgerbeteiligung neu aufzurollen und verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen (DWM berichtete). Die finale Abschlussdiskussion am Sonnabend war die letzte Etappe des Beteiligungsprozesses, dem der Austausch mit relevanten Akteuren, sogenannten Stakeholdern, und vier Wochen intensiver Bürger-Online-Dialog vorausgegangen waren. 434 Beiträge wurden eingereicht, 15.533 Herzen (Likes) verteilt. Das Problem: Für die Mittelmole gibt es viele Interessenlagen. „Das Grundstück mit Inselcharakter ist schwierig, hat aber ein großes Potenzial. Es lohnt sich, darüber zu diskutieren“, so Ackermann.  

Etwa zehn der insgesamt 21 Hektar großen Fläche gehören dem kommunalen Wohnungsunternehmen Wiro. Der Ankauf erfolgte im Dezember 2010. Die bislang vorgelegten Pläne mit Monofunktionen wie Wohnen und Parken wurden von den Bürgern strikt abgelehnt. Das Thema Wohnen bot auch jetzt wieder viel Diskussionsstoff – in großer Runde, aber auch kleinen Workshopgruppen. Ist die Mittelmole denn wirklich ein Filetstück für den Wohnungsbau?

„Lärm- und Feinstaubemissionen durch die Schifffahrt sind nun mal da und nur die schöne Aussicht macht’s eben auch nicht“, sagte Stefan Kohn. Der Warnemünder gab außerdem zu bedenken, dass Freizeitangebote – auch als Alternative für schlechtes Wetter – fehlen würden, weil diese in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt wurden. „Wenn Wohnungsbau, dann nur untergeordnet in geringem Maße“, hofft Ekkehard Romeike auf Zugeständnisse der Wiro und Edda Düwel wünscht sich an dieser Stelle ein markantes Gebäude als architektonische Ikone. Eine andere Warnemünderin meinte, dass keine Wohnungen für Gutbetuchte gebraucht würden, die Geld anlegen wollen: „Der Ort ist schon heute derart überlaufen, dass es viel wichtiger wäre, auf der Mittelmole eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen, um so den Ortskern zu entlasten.“ Ortsbeiratsmitglied Stephan Porst betonte, dass man so gut wie gar keinen Wohnraum haben wolle und andere Nutzungen wie Kultur, Handel, Gastronomie, Sport und Grünflächen bevorzuge. Für ihn sei es gar eine Option, dass die Wiro die Flächen abgebe. Auch der Sprecher der Bürgerinitiative „Alter Fährhafen“ (BI), Heike Schulze, ist davon überzeugt, dass man auf der Mittelmole nicht das Wohnungsproblem von Warnemünde lösen werde. Hier könne man so viele Wohnungen bauen, wie man will. Es werde immer einen Bedarf geben.

In der anschließenden Podiumsdiskussion – anwesend waren die Bürgerschaftsmitglieder Andrea Krönert und Anke Knitter, Helge Bothur vom Bau- und Planungsausschuss der Stadt Rostock sowie Wiro-Chef Ralf Zimlich – spiegelte sich der Bürgerwille jedoch nur bedingt wider. Man sehe die Mittelmole als seeseitiges Eingangstor für Rostock, MV und ganz Deutschland, wolle sie für alle ganzjährig erlebbar machen, doch dazu gehöre auch das Wohnen: „Ganzjährige Belebung passiert für mich ganz klar durch Wohnungsbau“, betonte Anke Knitter, die auch zu bedenken gab, dass „wir alle als Stadt bezahlen müssen, wenn etwas nicht wirtschaftlich ist.“ Über die Anzahl der Wohneinheiten könne man durchaus noch diskutieren, betonte Ralf Zimlich, allerdings: „wenn man will, dass eine Fläche lebt, dann muss man dort leben.“ Der Wiro-Geschäftsführer kündigte zudem an, dass für ihn auch sozialer Wohnungsbau auf der Mittelmole denkbar und der Lokschuppen schon als Markthalle im Gespräch sei. Er verwies auf die Hamburger Hafencity, wo auch eine vernünftige Durchmischung geglückt sei. Optimistisch im Hinblick auf die nächsten Wochen, Monate und Jahre zeigte sich Helge Bothur. Sein Schwerpunkt bei der Entwicklung sei, dieses gemeinsam zu tun. Das „Pre“ sehe er allerdings ganz sicher nicht beim Wohnen.

Mit diesem Prozess haben wir uns auf eine neue Stufe begeben, sagte der Rostocker Stadtplaner Ralph Müller am Ende der Diskussion: „Die Beteiligung ist aber nur ein Baustein für die Entwicklung der Mittelmole. Ohne Bebauungsplan gibt es keine Entwicklung.“ Zum Jahresende erwartet er das öffentliche Gutachten, vorgelegt durch Urbanista. „Wir werden es sortieren und darauf aufbauend eine Beschlussvorlage für die Bürgerschaft erarbeiten. Vielleicht ist schon Mitte nächsten Jahres mit dem Richtungsbeschluss für die Mittelmole zu rechnen“, stellte Müller in Aussicht.

Nicht alle Teilnehmer waren am Ende mit dem Verlauf und Ergebnis der Prüfwerkstatt zufrieden. „Die Bürger wollen kein Wohnen und in der Podiumsdiskussion kam genau das nicht zum Ausdruck. Irgendwie waren sich dann doch wieder alle einig, dass auf der Mittelmole gewohnt werden müsse“, kritisierte Heiko Schulze. Am Ende also doch wieder nur Opium für das Warnemünder Volk?

Foto 1 (Archiv): Taslair


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