Galerie Möller schließt nach 37 Jahren


10. Februar 2023

Tief in Gedanken versunken durchstöbert Galeristin Ulrike S. Möller die alten Fotos. War das möglich? Hatten sie und ihr Mann Peter in den letzten 37 Jahren wirklich so viel gemacht? Alle sechs Wochen eine neue Ausstellung. Immer gab es eine kulturwissenschaftliche Einführung, immer auch Livemusik und ein gutes Glas Wein. „Früher wurde auch viel getanzt bei den vielen Ausstellungseröffnungen“, schmunzelt das Paar. Inzwischen geht es ruhiger zu. Mit mehr als 100 Künstler fast aller Genres verbindet Möllers eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Man sei gemeinsam älter geworden. Ans Aufhören hatten sie beim 35. Jubiläum vor zwei Jahren noch nicht gedacht. Die 40 sollte noch vollgemacht werden. „Die Zeit hat uns eines Besseren belehrt“, bekennt Ulrike Möller.  

An den Eröffnungstag der 33. Galerie des Staatlichen Kunsthandels der DDR mit „Collagen Rostocker Künstler“ und Schmuck von Renata Ahrens aus Bad Doberan – es war der 31. Juli 1986 – können sich Ulrike und Peter Möller noch sehr gut erinnern. „Wir waren die erste Privatgalerie Rostocks und dafür hatte ich lange gekämpft“, verrät die Kunstwissenschaftlerin. Nach der Wende, im Februar 1990, stellte sie als erste Galeristin der ehemaligen DDR einen Antrag auf Privatisierung und erhielt die Gewerbegenehmigung. Der Staatliche Kunsthandel der DDR wurde in eine GmbH umgewandelt und übernahm damit auch das Haus, Am Strom 68. „Nach zähem Ringen konnten wir hier nach drei Jahren und gegen den Widerstand der Treuhand die ‚Galerie Möller‘ eröffnen.“ Etwa 780 Künstler haben in den Räumlichkeiten seither in ca. 300 Ausstellungen ihre Arbeiten präsentiert.

Gesundheitlich sind Ulrike und Peter Möller nach 37 Jahren Selbständigkeit nicht mehr ganz so gut drauf. „Wir haben jeden Tag gearbeitet und waren wir einmal nicht da, war es für uns wie Schule schwänzen. Die Galerie gehörte einfach zu unserem Leben“, sagt Ulrike Möller. Doch irgendwann ist die Luft raus, der Körper spielt nicht mehr mit und hinter dem eigenen Niveau zurückbleiben will man nicht. „Eine befreundete Berliner Galeristin erinnerte mich an meine eigenen Worte: Ich höre auf, wenn ich mich nicht mehr toppen kann. Jetzt ist es soweit. Dazu kommt, dass zwölf unserer Künstler in den vergangenen eineinhalb Jahren verstorben sind. Damit sind Eckpfeiler weggefallen.“ Weitestgehend habe man sich in den Jahren auf einen festen Künstlerstamm konzentriert, immer aber auch neuen eine Chance gegeben. Die Neugier sei schließlich geblieben.

Zu jedem Künstler gibt es Geschichten: „An der Stirnwand hing lange eine Strandszene von Manfred Gabriel. Eine Dame schlich immer wieder drumherum, doch das Bild passte nicht in ihr Budget. Irgendwann kam die Tochter – sie hatte im Familien- und Freundeskreis Geld gesammelt. Die Dame kam wieder und das Bild war – oh Schreck – weg und die vorab besprochene Übergabe eine umso größere Überraschung“, erinnert sich die 72-Jährige. Ihr Beruf habe eben viel mit Leidenschaft und Freude zu tun.

Schon heute steht fest, dass der 5. Dezember der letzte Öffnungstag sein wird. Im letzten Galeriejahr kommen ausschließlich die persönlichen Favoriten zum Zuge: Fest eingeplant sind Ausstellungen von Britta Naumann (16.02. bis 28.03.), Manfred Gabriel (30.03. bis 09.05.), Volkmar Förster (11.05. bis 20.06.), Michael Emig und Katrijn Engelen (22.06. bis 01.08.), Christian Lang und Dieter Dill (03.08. bis 12.09.), Maria Björklund und Ben Thompson (14.09. bis 24.10.) und Otto Beckmann (26.10. bis 05.12.)

„Wir haben uns immer gut verstanden, uns im besten Sinne informiert und uns gegenseitig Kunstinteressierte geschickt, was sehr schön ist. Es gab eine Art Gemeinschaftsgefühl für Kunst in Warnemünde und darüber hinaus“, sagt Alexander Gehrke. Seine Galerie Joost van Mar ist mittlerweile im Kurhaus etabliert. „Heute, noch viel besser als vor einigen Jahren, kann ich beurteilen, was für großartige Arbeit Ulrike Möller in den vergangenen Jahren am Standort Warnemünde geleistet hat. Dazu gehört neben Kenntnis und Kraft auch Durchhaltevermögen“, lobt der letzte verbliebene Galerist im Ostseebad. Für den 1. April plant er die nächste Ausstellungseröffnung. Es wird wieder reine eine Sammlerausstellung – ohne Verkauf – mit vier Sammlern aus Mecklenburg-Vorpommern. „Damit wollen wir zeigen, was für tolle Kunst auch in unserem Bundesland in Privatbesitz ist.“

In der Galerie Möller sind jetzt die Künstler an der Reihe, sukzessive ihre in Kommission überlassenen Werke abzuholen. „Wir bräuchte zwei Tage, allein um alles nur zu zeigen“, sagt die Ulrike Möller. Natürlich habe sie auch selbst gesammelt. Das alles bleibt. Genau wie die vielen Geschenke der Künstler. Wie es weitergeht, wenn der Schlüssel endgültig umgedreht ist? So ganz genau steht das noch nicht fest. „Probleme, unseren Tag zu gestalten, hatten wir jedoch noch nie“, sagt Peter Möller. Reisen sei aber immer gut. Besonders der Mittelmeerraum habe es ihnen angetan. Und noch etwas: „Nach 37 Jahren wird es das erste Weihnachten, an dem wir uns um eine Vertretung kümmern müssen. Ein schönes Gefühl“, ergänzt der 75-Jährige. 140 Quadratmeter Ladenfläche in 1A-Lage werden zum kommenden Jahr frei. Als Nachmieter wünscht sich das Ehepaar „irgendwas ganz anderes, was es in Warnemünde so noch nicht gibt, ein Alleinstellungsmerkmal.“

Den vielen Stammkunden – sie kommen oft Künstler-bezogen aus ganz Deutschland – wird etwas fehlen in Warnemünde. Und nicht nur ihnen, denn 37 Jahre lang, alle sechs Wochen eine Ausstellungseröffnung, hinterlässt Spuren auch im Ostseebad.


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Günter Böhme - 26.08.2023 um 14:49 Uhr
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Mit grossem Bedauern und herzlichem Dank für Kunstliebe.Kunstkenntnis und Li htblick am Strom..Viele Jahre sahen wir tolle Ausstellungen.
Danke.
G.Böhme
www.artboehme..de
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