Wissenschaft trifft Kunst – Buchvorstellung mit Geschichte und Geschichten aus Warnemünde


27. Oktober 2025

Manchmal sind es die leisen, unscheinbaren Dinge, die große Geschichten erzählen. So auch ein handgemaltes Aquarell aus dem Jahr 1829: Es zeigt Warnemünde, noch bevor der Leuchtturm gebaut wurde, mit einer Vielzahl liebevoller Details. Dieses Bild ist die Ausgangsbasis für ein außergewöhnliches Buchprojekt, das Wissenschaft und Kunst miteinander verbindet.

Am 2. November 2025 um 15 Uhr lädt der Kulturausschuss des Ortsbeirates Warnemünde/Diedrichshagen zur öffentlichen Buchvorstellung ins Kunstatelier am Kirchenplatz 3 ein. Der Eintritt ist frei. Vorgestellt wird das Buch „Francisca zeichnet. Eine etwas andere Geschichte von Warnemünde“ – ein Gemeinschaftswerk des Wissenschaftlers Horst D. Schulz und des Künstlers Sebastian Stave, die beide fest in Warnemünde verwurzelt sind.

Ein unscheinbares Bild mit großer Wirkung

Der Autor Horst D. Schulz, 83 Jahre alt, ist Professor für Geochemie und Hydrogeologie und international renommierter Ozeanograph. Doch seit seiner Rückkehr nach Warnemünde hat er sich einen Namen als Chronist seines Heimatortes gemacht. „Ich habe das Bild vor zwei Jahren in der Ausstellung „Fokus.Stadtbild.Rostock“ im Kulturhistorischen Museum entdeckt“, erinnert er sich.

Die aquarellierte Ansicht stammt aus dem Jahr 1829 und zeigt den Blick vom Osten über die Warnow auf das kleine Fischerdorf Warnemünde. „Als gebürtiger Warnemünder habe ich natürlich ganz genau hingesehen. Die Häuser, die alte Kirche – alles stimmt“, erzählt Schulz. Der erste „Leuchtturm“, eine Ziehlaterne, fehlte damals noch, er wurde erst drei Jahre später errichtet.

Doch wer hat dieses bemerkenswerte Blatt geschaffen? Die Zeichnung, heute im Besitz des Kulturhistorischen Museums Rostock, war lange unbeachtet geblieben – „nur“ eine Kinderzeichnung, wie es hieß. Schulz wollte es genauer wissen und begann zu forschen.

Auf den Spuren einer 14-Jährigen

Rund 900 Einwohner lebten damals in Warnemünde. Schulz durchforstete alte Einwohnerverzeichnisse und stieß auf eine junge Warnemünderin: Francisca Plath, 14 Jahre alt, Tochter des damaligen Hegedieners – eine Art Polizeichef des Ortes. „Natürlich gibt es keinen endgültigen Beweis, aber für mich ist es sehr wahrscheinlich, dass Francisca dieses Bild gezeichnet hat“, sagt Schulz.

Ihre Zeichnung ist mehr als eine kindliche Skizze. Wer genau hinschaut, entdeckt darauf eine Vielzahl an Details, die viel über den Ort erzählen: von Wasserbrunnen über Dachformen bis zu Alltagsszenen am Ufer. Es ist ein stilles Zeitdokument – und die perfekte Grundlage für ein modernes Buchprojekt.

Ein Künstler mit Warnemünder Wurzeln

Für die künstlerische Umsetzung stand Schulz kein Unbekannter zur Seite. Sebastian Stave, 54 Jahre alt, Diplom-Ingenieur der Architektur, Familienvater und Warnemünder Jung, wuchs unweit des Strandes auf. Nach seinem Architekturstudium in Weimar verbrachte er ein Jahr in Los Angeles, arbeitete für ein namhaftes Architekturbüro und leitete viele Jahre Bauprojekte. Heute folgt er seiner eigentlichen Leidenschaft: dem Zeichnen.

„Ich kenne die Familie Stave seit Beginn der mittleren Steinzeit“, scherzt Schulz. Beide verbindet ihre Liebe zu Warnemünde – und die Idee, Geschichte lebendig zu machen. „Ich wollte diese abstrakte Geschichte ‚zeigbar‘ machen“, erklärt der Wissenschaftler.

Wissenschaft trifft Zeichenkunst

Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler und Künstler ist ebenso ungewöhnlich wie fruchtbar. Schulz lieferte historische Fakten, Stave setzte sie zeichnerisch um – mit viel Liebe zum Detail und modernem Strich.

Ein Beispiel: die Wassergewinnung über einen hölzernen Brunnen. Stave zeichnete das Motiv – Schulz korrigierte: „Die Eimer waren damals unten breiter, nicht nach oben.“ Ergebnis: eine authentische Darstellung, die Wissen und Kreativität an einem kleinen Detail vereint.

Besonders herausfordernd war die Franzosenschanze, eine historische Befestigung. „Für mich als Architekt war die Umsetzung einfacher, weil ich mit Grundrissen arbeite“, erzählt Stave. Schulz nickt anerkennend: „Es stimmt alles, sogar die Anzahl der Kanonen.“

Auch Alltagsgegenstände wie der Aalstecher wurden neu interpretiert. So entsteht ein Bildband, der nicht nur schön aussieht, sondern auch Wissen transportiert – wie ein modernes Wimmelbild mit historischem Fundament.

Ein Hund auf jeder Seite

Ein kleines Markenzeichen von Sebastian Stave darf dabei nicht fehlen: sein Hund. In jedem Bild ist er versteckt. „Er ist eigentlich schwarz, aber das funktioniert zeichnerisch nicht gut. Also ist er eben weiß“, erklärt Stave mit einem Augenzwinkern.

Buch, Kunst und Kalender

Das Buch „Francisca zeichnet. Eine etwas andere Geschichte von Warnemünde“ ist für 16,90 Euro im Buchhandel und im Kunstatelier erhältlich – handsigniert von beiden Machern. Neben dem Buch können hier die Originalillustrationen und Kalender in verschiedenen Formaten von Sebastian Stave bewundert und erworben werden. Darüber hinaus ist das Werk im Heimatmuseum sowie in den Warnemünder Buchhandlungen Krakow Nachf. und Möwe erhältlich.

Ein Leben für die Wissenschaft – und für Warnemünde

Horst D. Schulz wurde 1942 in Warnemünde geboren. Nach der Republikflucht der Familie 1954 führte ihn sein Weg über Stuttgart, Aachen, Berlin, Kiel und Bremen in die internationale Meeresforschung. Als Professor an der Universität Bremen leitete er von 1986 bis 2007 das Fachgebiet Geochemie und Hydrogeologie und war auf zahlreichen Expeditionen im Südatlantik unterwegs. Sein Lehrbuch „Marine Geochemistry“ ist ein Standardwerk.

2004 kehrte Schulz zurück in seine Heimatstadt. Heute, als Pensionär, verbindet er wissenschaftliche Neugier mit historischem Engagement. „Warnemünde hat so viele Geschichten, man muss nur genau hinschauen“, sagt er.

Mit „Francisca zeichnet“ zeigen Horst D. Schulz und Sebastian Stave, wie ein fast vergessenes Kinderbild zu einer Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird – zwischen Wissenschaft und Kunst, Forschung und Fantasie. Ein Stück Warnemünder Geschichte, das zum Staunen, Schmunzeln und Entdecken einlädt.


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