Warnemünde: Was ist gegeben – was wird gesucht?


12. September 2020

Gemeinsam mit dem Tourismusverein Rostock & Warnemünde und dem hiesigen Handels- und Gewerbeverein hat die Bürgerinitiative „Alter Fährhafen“ (BI) einen eigenen Standpunkt zur Fortschreibung des Strukturkonzeptes für Warnemünde und Hohe Düne erarbeitet. Stellvertretend stellte BI-Sprecher Heiko Schulze diesen am Dienstagabend in der Ortsbeiratssitzung vor. Unter der Überschrift „Warnemünde: Was ist gegeben – was wird gesucht?“ hat man sich auf die wesentlichen Probleme konzentriert: Wohnen, Verkehr und natürlich die Mittelmole.

Für das Thema „Wohnen“ bemühten die Initiatoren die Statistik: Schaue man sich nur das Zahlenwerk an, sei Warnemünde mit 659 Wohnungen auf 1.000 Einwohner mit Wohnraum faktisch überversorgt, begann Heiko Schulze seinen Vortrag. Dieser Einstieg war etwas unglücklich, denn beipflichten mochte ihm diesbezüglich kaum irgendjemand. Der Fehler im System: Ein Großteil der erfassten Wohnungen sind Ferien- oder Zweitwohnungen. Unstrittig war hingegen, dass der Wohnungsbau in der Vergangenheit am Bedarf und an der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum vorbei betrieben wurde.

Auch rund um den Verkehr machte Schulze die Gegeben-Gesucht-Rechnung auf: Warnemünde sei sehr beliebt und immer mehr Touristen fänden den Weg hierher. Das alljährliche Verkehrschaos, besonders in den Sommermonaten, sei allerdings ein stückweit selbst produziert: „Der immer weiter vorangetriebene Parkplatzabbau ohne Alternativangebote erhöht das Chaos nur noch“, stellte der Redner fest. Deshalb ergebe sich höchste Dringlichkeit für intelligente Mobilitäts-, Verkehrs- und Parkraumkonzepte – verortet beim neuen Amt für Mobilität. Ein Lösungsansatz: Verkehrsreduzierung durch P+R sowie Shuttle-Services an den Ortseingängen. „Trotzdem müssen wir aufpassen, denn wir haben nicht viel Freiraum.“ Parkhäuser sollten daher primär als Tiefgaragen oder flach und begrünbar geplant werden.

Eine Standortdebatte, wie jüngst durch Oberbürgermeister Madsen (OB) entfacht, sei verfrüht: „Wir sind der Meinung, dass Warnemünde seine Verkehrsprobleme nicht allein in Warnemünde lösen wird. Man sollte großräumiger denken und eventuell müssen auch der Nordwesten sowie Diedrichshagen und Elmenhorst mit einbezogen werden“, so Schulze, der auf erfolgreiche Konzepte mit Parkringen, die wie Wellenbrecher funktionieren, in anderen Städten verwies. Besucherströme können so gelenkt und abgefangen werden.

Das im ursprünglichen Funktionskonzept Mittelmole verankerte „Prora 2“ Mega-Parkhaus mit einer Gesamtlänge von 236 Metern und der Höhe eines fünfgeschossigen Neubaublocks sei für ihn und seine Mitstreiter keine Option. Damit würde einer der letzten Freiräume direkt am Wasser verbaut: „Die Mittelmole braucht nach sorgfältiger Standortabwägung intelligente Alternativen wie Tiefgaragen und keine Billigbauten.“

Und da geht es auch schon um Warnemündes letztes unbebautes Filetstück: Laut Strukturkonzept aus dem Jahre 2010 sei dieses gar nicht bzw. nachrangig für Wohnen geeignet. Die als Parkplatz genutzte Brache gilt auch als ein Freiraum am Wasser. Die Attraktivität dieser Fläche sei – so die Intention – durch neue Inhalte und den Erhalt maritimer Funktionen zu steigern. „Wir betrachten die Bebauung der Mittelmole als Gemeinschaftsaufgabe und wollen uns dafür nicht irgendwann schämen!“ Zu berücksichtigen sei deshalb unbedingt, dass das Areal vor der Kulisse des Alten Stroms nicht nur das Tor nach Rostock, Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland, sondern auch nach Europa ist. Dementsprechend repräsentativ müsse es gestaltet sein. Schulze spricht von einem ganzjährig attraktiven Erlebnisraum für Einheimische und Gäste auf dem nördlichen Teil. Nur so könnten auch die Besucherströme besser verteilt werden – unabdingbar in Bezug auf die touristische Verträglichkeit im Ort. „Wir könnten uns dort als architektonischen Höhepunkt einen großen Multifunktionsbau, eingebettet in einen maritimen, naturnahen Themenpark, vorstellen. Daran anknüpfend stellte er eine Sammlung gelungener Beispiele vor. Impressionen, wie sich gelungene Architektur rund um den Globus darstellen und in das Umfeld einpassen kann. Eines haben alle gemeinsam: Die Planer haben das Denken und Fühlen normaler Menschen zum Maßstab erhoben. Das sollte auch auf der Mittelmole zur Maßgabe werden.   

Abschließend wurde der Vortrag trotz des genannten Minuspunktes gleich zu Beginn von den Anwesenden positiv bewertet.

Foto: Taslair


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Heiko Schulze - 13.09.2020 um 06:28 Uhr
Vielen Dank für den gelungenen Artikel! Zu "Fehler im System: Ein Großteil der erfassten Wohnungen sind Ferien- oder Zweitwohnungen" folgende Anmerkung:

Der Versorgungsgrad an Wohnungen ist eine wichtige, allgemeine Kennziffer für Stadtplanung und Wohnungspolitik. Sie beziffert nutzungsneutral, wieviel Wohnungen statistisch auf 1000 Einwohnern kommen. Diese stadtplanerische Allgemein- und Vergleichsgröße unterscheidet nicht nach Art der Nutzung (Haupt-, Zweit- oder Ferienwohnung, Arztpraxis, Anwalts- oder Architektenbüro, Escort-Bleibe oder Privat-Bordell etc.). Die Regeln bzw. Rahmenbedingungen zur Wohnraumverwendung legt allein die Politik für die Vermieter fest. Auch in unserer Stadt. 659 Wohnungen stehen lt. kommunaler Statistik 1.000 Einwohnern im Stadtbereich A (Warnemünde + Diedrichshagen) zur Verfügung. Demnach ist die Aussage - allein rein statistisch betrachtet - korrekt, dass Warnemünde gemessen an der Zahl der Einwohner faktisch mit Wohnraum überversorgt ist (Stand: 31.12.2018).

Wahrscheinlich ist die nackte Zahl (659 WE / 1000 Einw.) des Versorungsgrades an Wohnungen isoliert betrachtet, schwer zu fassen. Darum hatte im Vortrag die Bevölkerungs- und Wohnungsentwicklung im Stadtbereich A voran gestellt. Denn hier liegt m.E. der Fehler im System:

Obwohl von 1996 bis 31.12.2018 die Warnemünder Bevölkerung um 245 Personen geschrumpft ist, wuchs der Wohnungsbestand bis zum 31.12.18 um 1.416 neugebaute Wohnungen.
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