Warnemünde: Saisonstart der Strandbewirtschafter ohne fließend Wasser


31. März 2022

In Warnemünde stehen alle Zeichen auf Saison. Nachdem der Bauhof zuletzt die Sandfallen geleert und das kostbare Gut auf „leergewehten“ Flächen verteilte hatte, sind jetzt die Strandbewirtschafter am Zuge. Ab dem 1. April dürfen sie ganz offiziell ihre Strandkörbe, Liegen, Tretboote und Wassersportgeräte aufbauen.

Unter ihnen ist auch Matthias Treichel, der am Strandaufgang 4 seine Strandoase betreibt. Ab Freitag ist er hier zunächst mit einem Bierwagen präsent. Eventuell sind bis zum Ende der Woche schon die Holzplanken verlegt, sodass seine für Rolli- und Kinderwagen geeigneten Wegeplatten folgen können. Dann folgen sukzessive die Strandkörbe und irgendwann nach dem Turmleuchten am 9. April auch die Strandoase.

Es bleibt Zeit für wichtige Verhandlungen, denn dem Unternehmer soll es auf Drängen des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (Stalu MM) versagt bleiben, Wasser und Abwasser zu verlegen. Auch seinen WC-Container dürfe er nicht wie gewohnt aufstellen. Dieser ist allerdings Teil eines Gesamtkonzeptes, das auf Behindertenfreundlichkeit ausgelegt ist. Und diese war nicht einfach so da, sondern wurde mühevoll, Step by Step aufgebaut.

So können mobilitätseingeschränkte Menschen in der Strandoase den Imbissbereich und auch die Terrasse dank Rampen autark erreichen. Ebenso verhielt es sich bislang mit dem nahen WC-Container inklusive Behindertentoilette. „Als wir damals bei der Tourismuszentrale den Antrag zum temporären Aufbau einer Toilettenanlage stellten, wurde das sehr wohlwollend aufgenommen. Wir sollten uns allerdings auch um die Betreuung kümmern“, erinnert sich Matthias Treichel. Das habe man getan.

Immer wieder lässt sich der Unternehmer für seine Gäste etwas Raffiniertes einfallen: Der Baderollstuhl zum Beispiel ist aus dem Treichelschen Servicepaket nicht mehr wegzudenken. Behindertenfreundlichkeit wird in der Strandoase quasi gelebt, denn auch die Mitarbeiter haben keinerlei Berührungsängste mit schwerstkranken Menschen in die Fluten zu steigen (DWM berichtete).

„So ein tolles Angebot mit barrierefreiem Strandzugang. Das ist einmalig an der Ostsee“, lobt auch Petra Kröger, Behindertenbeauftragte der Stadt Rostock. Die Strandoase würde gerade von Rollifahrern sehr gut angenommen. „Das sollten sich die Entscheidungsträger mal anschauen“, sagt Petra Kröger. Sie hat mit vielen Rollstuhlfahrern zu tun, die auch Matthias Treichel persönlich kennen und sein Engagement schätzen. „Jetzt ist es wichtig, einen tragfähigen Kompromiss im Interesse der Behinderten zu finden“, hofft die Behindertenbeauftragte.

Das Stalu MM bewertet Toiletten am Strand generell als „wasserrechtlich bedenklich“: „In der Vergangenheit mag das Aufstellen für notwendig erachtet worden sein, da nicht genügend öffentliche Toiletten in unmittelbarer Strandnähe vorhanden waren“, sagt Amtsleiterin Ines Liefke. Mittlerweile befänden sich aber Toiletten an den Strandaufgängen 1, 3 und 6, teils auch mit Behinderten-WCs ausgestattet. Die Amtsleiterin empfiehlt Matthias Treichel seine Vermietung näher an eine vorhandene barrierefreie Toilettenanlage, z.B. Strandaufgang 3, zu legen. Möglich sei aus ihrer Sicht auch, die Strandkörbe für mobilitätseingeschränkte Bürger in unmittelbarer Nähe zu einem Strandübergang mit einer barrierefreien Toilette aufzustellen und somit den Weg zu dieser deutlich zu verkürzen. Die Wegeführung könnte entsprechend eingerichtet werden.

Ein Umzug des Behindertenbereichs an den Aufgang 3 ist für den Strandunternehmer kurzfristig keine Option: „Wir haben ein Buchungssystem und schon jede Menge Strandkorbbuchungen. So einfach umziehen wollen unsere Gäste da nicht.“ Denkbar wäre für ihn aber ein Anschluss seines Wegesystems an den Aufgang 3. Die Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung stirbt auch bei Matthias Treichel ganz zuletzt.

Rückendeckung erhält er von der Tourismuszentrale, die sich ganz klar als Reiseziel für Alle positioniert. Dazu gehören auch behindertenfreundliche Strandaufgänge als Teil einer geschlossenen Servicekette. Der Strandaufgang 4 in Warnemünde gehörte mit der geschlossenen Wegeführung bis zur Wasserkante, Strandkorbvermietung, Hilfsmittelverleih (z. B. Baderollstühle), barrierefreier Toilette und dem gastronomischen Angebot bislang zu einem der modernsten barrierefreien Strandzugänge in MV. „Wir sind weiterhin bestrebt, diese geschlossene Servicekette auch zukünftig anbieten zu können und suchen aktuell mit dem Betreiber sowie den einzubindenden Ämtern und Behörden eine adäquate Lösung im Sinne unserer mobilitätseingeschränkten Gäste“, unterstreicht Tourismuschef Matthias Fromm.

Einen Bebauungsplan „Strand“ (B-Plan) – dieser soll auch größeren Gastronomiebetrieben am Strand endlich Planungssicherheit geben – gibt es nach zwölf Jahren noch immer nicht. Wie Stadtsprecher Ulrich Kunze mitteilte, sei die Vergabe eines Artenschutzfachbeitrages bestätigt. Dieser ist Voraussetzung für die Erstellung eines B-Plan-Entwurfs und soll bis Ende September vorliegen. „Nach Einarbeitung in den B-Plan bis voraussichtlich Ende 2022 soll die Bürgerschaft zum Ende des 1. Quartals 2023 die öffentliche Auslegung beschließen. Diese soll dann im 2. Quartal stattfinden“, stellt er in Aussicht. Das Vergabeverfahren für den B-Plan an sich laufe noch und man gehe davon aus, dass im Mai ein Planungsbüro beauftragt werden kann. Läuft alles glatt, kann 2024 der endgültige Satzungsbeschluss erfolgen. Bis es soweit ist, würden Bauten und deren Nutzung am Strand „geduldet“.

Foto (Archiv): Taslair


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