Treibsel ist kein Müll – sondern eine wertvolle Ressource für den Küstenschutz


18. November 2025

Unterhalb des Teepotts in Warnemünde stehen seit Kurzem zwei neue Versuchsanlagen im Kampf gegen Küstenerosion. Ein Hasel-Staketenzaun und ein faschinenartiger Treibselzaun, jeweils fünf Meter lang, wurden dort aufgebaut – gefüllt mit rund 2.300 Litern nahezu reinem Seegras, das die Stürme dieses Jahres reichlich an den Strand gespült hatten. Gemeinsam mit den Kokosfaser-Windfangzäunen der Tourismuszentrale Rostock und Warnemünde bilden sie ein kleines Freiluftlabor direkt am Strand, allen Wetterbedingungen ausgesetzt. „Wir können hier perfekt vergleichen, wie lange welche naturbasierten Materialien halten“, sagt Nardine Stybel, Vorstandsvorsitzende von EUCC – Die Küsten Union Deutschland e. V. (EUCC-D). Der Aufbau sei in enger Zusammenarbeit mit der Tourismuszentrale erfolgt. „Das ging ratzifatzi und hat uns sehr geholfen.“

Warum Treibsel? Weil es reichlich vorhanden und ökologisch wertvoll ist

Treibsel – der Sammelbegriff für Strandanwurf aus Seegras, Algen, Muscheln und manchmal auch Plastikpartikeln – gilt für viele Urlauber als störend. Dabei ist es ein wichtiger Bestandteil des Küstenökosystems, Nahrungsgrundlage für Seevögel und ein natürlicher Baustein der Dünenbildung. Dennoch wird es an touristisch genutzten Stränden oft kostenintensiv entsorgt.

EUCC-D setzt deshalb seit einigen Jahren konsequent auf die Nutzung dieses natürlichen Rohstoffs. „Mit Treibsel haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht – und das Ausstopfen der Zäune könnte sogar ein schönes Gemeinschaftsevent werden“, sagt Stybel. Das Interesse beim Aufbau in der vergangenen Woche sei groß gewesen, ergänzt Projektmanagerin Franziska Stoll: „Mehrfach wurden wir gefragt, ob man mithelfen könne.“

Erfolgreicher Abschied von Plastik

Auf Anraten von EUCC-D sind die früher üblichen Kunststoff-Sandfangzäune am Strand von Warnemünde verschwunden. Sie zerfallen unter Witterungseinflüssen in Mikropartikel – ein massives Problem für die Ostsee. Die Tourismuszentrale hat auf Kokosfaser umgestellt. „Das ist ein großer Fortschritt“, so Stybel, „allerdings saugt sich das Material mit Wasser voll und reißt irgendwann.“ Die Treibselzäune hingegen sind widerstandsfähig und bestehen vollständig aus Naturmaterialien.

Wissenschaft, Praxis und Tradition vereint

Dass Treibselzäune funktionieren, ist historisch belegt: In Skandinavien bieten traditionelle Seegraswälle seit Jahrhunderten Schutz vor Küstenerosion und Sturmfluten. Genau an diese Erkenntnisse knüpft das Warnemünder Projekt an. Für EUCC-D ist es daher ein langfristiges Ziel, einen dauerhaften Standort für einen Treibselzaun zu sichern. Ein entsprechender Antrag an das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (StALU-MM) ist bereits in Vorbereitung.

Mit ihrem Engagement ist EUCC-D zudem Teil des Seastore-Projekts, das sich der Wiederansiedlung von Seegraswiesen in der Ostsee widmet. Seegras ist ein enorm effizienter CO₂-Speicher – 30- bis 50-mal stärker als Wälder an Land. „Die Schönheit der Seegraswiesen muss an den Strand verlagert und damit in das Bewusstsein der Menschen gelangen“, betont Stybel. Ihr Appell: „Seegras am Strand ist wertvoll und kein Müll!“

Treibselzäune verbinden nachhaltigen Küstenschutz mit einer natürlichen, ästhetisch ansprechenden Gestaltung des Strandes. Sie reduzieren Erosion, werten den Lebensraum ökologisch auf und sparen Kosten, weil der Strandanwurf nicht entsorgt werden muss. Gleichzeitig sind sie einfach zu errichten und frei von künstlichen Materialien. Warnemünde zeigt damit, wie naturnah, innovativ und gleichzeitig pragmatisch moderner Küstenschutz sein kann.


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Gabi - 21.11.2025 um 12:12 Uhr
Tolle Idee, mehr davon. Allerdings sollte man es nicht mit Plastik befestigen sondern mit Hanfseilen.
( Kabelbinder, die haben dort nichts zu suchen. )
????
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