Sicherheit, Ehrenamt und Schiffsträume – Traditionssegler auf der Hanse Sail 2025 unter Druck


06. August 2025

Wenn die Traditionsschiffe zur 34. Hanse Sail die Warnemünder Molenköpfe passieren, schlägt das maritime Herz der Stadt wieder höher. Doch hinter den Kulissen zeigt sich: Das Angebot an Traditionsseglern wird kleiner – und zugleich exklusiver. Denn viele dieser schwimmenden Zeitzeugen kämpfen mit zunehmenden Hürden.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Landrath Küster, Deutschlands ältester Hochseekutter von 1889. Kapitän Thees Fock beschreibt das Erlebnis an Bord mit leuchtenden Augen: „Wenn die Maschine aus ist und wir segeln, sind wir lautlos und klimaneutral unterwegs. Das ist ein besonderes Gefühl und macht uns und unseren Gästen viel Freude.“

Doch die Realität auf dem 136 Jahre alten Schiff ist längst nicht so romantisch, wie sie klingt. Die aktuellen Sicherheitsauflagen machen Fock und anderen Traditionsschiffern das Leben schwer. „Wir haben Stahldrähte verbaut, die mit Leinöl und Wurzelteer behandelt wurden. Die halten 40 bis 50 Jahre. Jetzt müssen wir sie alle fünf Jahre austauschen – gegen modernen, aber weniger haltbaren Stahl.“ Auch beim Brandschutz sieht Fock die Regeln kritisch: „Auf einem 20-Meter-Schiff merkt man auch so, wenn’s brennt.“

Hohe Auflagen, wenig Spielraum

Seit 2018 gelten in Deutschland verschärfte Regelungen für Traditionsschiffe. Wer das sogenannte Traditionsschiffszeugnis nicht erneuert, darf nicht mehr mit Gästen ausfahren. Dabei geht es vor allem um die bauliche Sicherheit und um Rettungsmittel. Für viele ehrenamtliche Crews ist das eine enorme Belastung – sowohl finanziell als auch organisatorisch.

Nikolaus Kern, selbst Kapitän und Vorstandsmitglied der Gemeinsamen Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW), sagt klar: „Die alten Schiffe sind ja meist aus Holz. Das sind ganz andere Bedingungen als bei modernen Stahlschiffen.“ Und das ist nicht das einzige Problem: Im internationalen Vergleich geraten deutsche Traditionssegler ins Hintertreffen.

„Deutsche Schiffe haben einen Wettbewerbsnachteil“, erklärt Kern. In den Niederlanden gelten viele dieser Schiffe als Gewerbebetriebe, sind neu aufgebaut und erfüllen deshalb von vornherein alle Auflagen. In Deutschland sind die Besatzungen meist ehrenamtlich unterwegs und es gelten strenge Beschränkungen. „Oft wird es schwierig, genug Helfer zu finden, die die Schiffe am Leben erhalten“, so Kern.

Carolin Pries vom Hanse Sail Büro ergänzt: „Zudem ist es für holländische Betreibende einfacher, Kredite für ihre Schiffe zu bekommen. Die Eigner dürfen Gewinne erzielen.“ In Deutschland müssen Traditionsschiffe privat oder unter der Regie eines Vereins fahren. Zudem dürfen sie meist nur maximal zwölf Personen mitnehmen – Ausnahmen sind selten, etwa bei maritimen Festen wie der Hanse Sail. Wirtschaftlich tragfähig ist das meist nicht.

Der lange Weg zum Erhalt

Trotzdem geben viele nicht auf. Nikolaus Kern sieht Hoffnung: „Es ist nicht einfach, aber ich sehe, wie sehr viele Menschen dafür arbeiten, die Schiffe in Fahrt zu halten. Das macht Mut.“ Die GSHW plant derzeit eine Stiftung, um Eigner bei baulichen Maßnahmen zu unterstützen. Doch der politische Wechsel habe die Umsetzung verzögert – „es wird sicher noch ein bis zwei Jahre dauern“, so Kern.

Auch Bettina Fust, Leiterin des Hanse Sail-Büros, beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Vier Schiffe, die über Jahre fester Bestandteil der Sail waren, kommen in diesem Jahr nicht mehr. „Viele der Eigentümer haben mittlerweile ein hohes Alter erreicht, trauen sich die vielen notwendigen Ausfahrten mit Gästen nicht mehr zu, scheuen die Abnahme oder finden keine Nachfolger“, erklärt sie.

Eine Ära endet – oder beginnt etwas Neues?

Besonders berührend ist das Beispiel der Ethel von Brixham, die seit fast drei Jahrzehnten zur Hanse Sail nach Rostock kam. Für Eigner Gerhard Bialek war das jedes Mal ein Höhepunkt: „Die Stadt und die Menschen haben uns immer herzlich empfangen.“ Doch aktuell liegt das Schiff ohne gültiges Zeugnis in Kiel – und darf keine Gästefahrten machen. „Ich suche seit Monaten jemanden, der das Schiff übernimmt und für die Zukunft fit macht“, so Bialek. Findet sich bis Oktober niemand, droht die Verschrottung. „Der Gedanke tut weh. Aber die laufenden Kosten kann ich so nicht mehr tragen.“

Hanse Sail bleibt Hafen für Tradition

Trotz aller Herausforderungen bleibt Rostock ein starker Partner für die Traditionsschiffe. „Wir erheben keine Liegegebühren, helfen bei der Vermittlung von Ausfahrten, bieten Veranstaltungen zum Netzwerken und stellen mit dem Hanse Sail Verein persönliche Schiffsbetreuende zur Seite“, sagt Bettina Fust.

Und sie macht Hoffnung: „Wir werden diese Kulturgüter auch in Zukunft noch in Rostock erleben.“ Dafür sind neue Ideen gefragt. „Das Angebot wird exklusiver. Aber vielleicht begleiten in Zukunft andere Schiffe die Traditionssegler – so können Gäste sie auch dann noch auf dem Wasser erleben, wenn es weniger geworden sind.“


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