Während sich die Kaikanten füllen und internationale Schiffe Flagge zeigen, sind sie es, die das Herz der Hanse Sail am Schlagen halten: 122 Ehrenamtliche, die mit Hingabe und Tatkraft die Seeleute aus aller Welt empfangen, betreuen – und willkommen heißen. Seit 33 Jahren ist Gisela Neumann eine von ihnen. Eine, die nicht nur viel erlebt hat, sondern deren Spitzname mittlerweile zum festen Begriff im Hanse-Sail-Kosmos gehört: „Koggenmutti“.
1992 – ein öffentlicher Aufruf zur zweiten Hanse Sail. Gisela Neumann, seefahrtserfahren durch Familie und Beruf, meldet sich spontan. „Ich habe mit dem Gründer der Sail, Roland Methling, gut zusammengearbeitet. Als sein Team Unterstützung suchte, war ich dabei.“ Und sie blieb – bis heute. Mit offenem Herzen, Organisationstalent und norddeutschem Humor.
„So viele Crews unterschiedlicher Nationen kommen hier friedlich miteinander aus, knüpfen Freundschaften. Wenn das hier klappt, warum dann nicht auch im Rest der Welt?“, fragt sich Neumann. Für sie ist die Hanse Sail weit mehr als nur ein Event. Es ist ein gelebtes Stück Völkerverständigung – Jahr für Jahr.
Was macht eine Schiffsbetreuerin eigentlich? Viel mehr, als man denkt. Zwar erhalten die Schiffe vor Ankunft ein sogenanntes „Captains Handbook“ – mit Infos zu Müllentsorgung, Duschen, Wasser, Hafenplänen. Doch für Besatzungen, die sich in Rostock nicht auskennen, kann es schnell unübersichtlich werden. „Und da kommen wir ins Spiel“, sagt Neumann.
Früh morgens begrüßt sie die Crews, bringt sie auf den neuesten Stand, vermittelt zwischen Kapitän und Hafenbehörde, hilft bei Buchungslisten für Gästefahrten – und sorgt für kleine Gesten, die in Erinnerung bleiben. „Ich bringe den Crews ein Gläschen meiner selbstgemachten Marmelade, um ihnen eine kleine Freude zu machen.“ Ein kleiner Willkommensgruß, der viel bewirkt.
Seit fast zwei Jahrzehnten ist Gisela Neumann den Koggen zugeteilt – den historischen Nachbauten, die wie Botschafter des Mittelalters über die Meere ziehen. „Ich habe schon den Bau der Wissemara miterlebt. Ich habe eine enge Verbindung zu ihr, zur Kieler Hansekogge, zur Ucra und ihren Crews.“
Ihre Zugewandtheit und ihr Einsatz blieben nicht unbemerkt – so entstand ihr liebevoller Spitzname: „Sie nennen mich Koggenmutti“, sagt sie und lacht. Ein Spitzname, der Respekt, Nähe und familiäre Wärme vereint.
Mit ihren 74 Jahren denkt Neumann nicht ans Aufhören – obwohl sie nach einer Operation im vergangenen Jahr gesundheitlich nicht mehr ganz so gut zu Fuß ist. „Meine Familie zeigt mir schon den Vogel. Aber so lange ich aufrecht stehen kann, können der Verein und die Schiffe auf mich zählen!“ Für sie ist das Ehrenamt kein Pflichtprogramm – sondern eine Herzensangelegenheit.
In den Anfangsjahren war der Job noch umfassender: Von Brötchenlieferungen bis hin zur Übermittlung von Seewetterberichten übernahmen die Ehrenamtlichen quasi alles. Heute laufen viele Abläufe digital, externe Anbieter versorgen die Schiffe mit dem Nötigsten.
Und doch bleibt ihre Arbeit unverzichtbar. „Der persönliche Kontakt. Die Crews schätzen es, dass eine einheimische Person sie in Rostock Willkommen heißt, sich um ihre Belange kümmert, zwischen ihnen und hiesigen Institutionen vermittelt“, sagt Neumann.
Die Hanse Sail wäre ohne die Ehrenamtlichen nicht das, was sie ist: ein herzliches, gelebtes, verbindendes Fest. Menschen wie Gisela Neumann sind die leisen Heldinnen und Helden dieses Großereignisses – sie halten den Kurs, wenn’s stürmt, und sorgen für Sonne im Hafen, selbst wenn’s regnet.
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