Es ist ein Ritual mit weltweiter Strahlkraft: Immer am dritten Sonnabend im September greifen Menschen in über 190 Ländern zu Müllsäcken und Greifzangen, um Küsten, Flüsse, Straßen und Parks vom Abfall zu befreien. Am 20. September war es wieder so weit – und auch in Rostock wurden die Ärmel hochgekrempelt. Zwölf Sammelpunkte im Stadtgebiet luden ein, sich aktiv für eine saubere Umwelt einzusetzen. An den Stränden von Warnemünde war der Tatendrang spürbar.
Um Punkt 10 Uhr versammelte sich eine Gruppe von 22 Freiwilligen vor der Jugendherberge Warnemünde, um am Strandaufgang 23 gemeinsam mit der Müllsammlung zu beginnen. Organisiert wurde die Aktion wieder von der EUCC – Die Küsten Union Deutschland e.V. (EUCC-D) in Zusammenarbeit mit dem Jugendherbergswerk. Nach kurzer Einweisung und Ausstattung mit Eimern, Müllbeuteln und Greifzangen machten sich die Teams in Richtung Stoltera auf den Weg.
Besonderen Einsatz zeigte eine 15-köpfige Gruppe der Berliner Firma Norsan, die eigens für den Cleanup nach Warnemünde gereist war. Für Jussi Hecker und seine Partnerin Michaela Werner – Mitarbeiterin bei Norsan – war es die erste Sammelaktion an der Küste. „In Berlin habe ich schon häufiger mitgemacht“, erzählte Hecker, während die beiden Kinder Suna (11) und Aki (9) eifrig im Sand nach Kronkorken und Kippen suchten. Für die Familie war der Einsatz nicht nur ein Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch eine Gelegenheit, den Urlaubsort einmal aus einer anderen Perspektive zu erleben.
Nach rund 90 Minuten wurde Bilanz gezogen: 13,5 Kilogramm Müll hatten die Freiwilligen gesammelt. Hinter der Zahl verbarg sich eine erschreckende Vielfalt: Zigarettenkippen, Kronkorken, 20 Glasflaschen, Einweggrills, Feuchttücher, Besteck, Hundespielzeug, Zeltheringe, Plastikverpackungen – und gleich zwei einzelne Schuhe.
„Es ist unglaublich, was man auf so kurzer Strecke zusammenträgt“, sagte Nardine Stybel, Vorstandsvorsitzende der EUCC-D. Gemeinsam mit Tochter Linda (7) und Au-pair-Mädchen Mira (19) aus Madagaskar war sie unterwegs. Die Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin engagiert sich seit Jahren für die Aktion.
Die EUCC-D ist nicht nur am Cleanup Day aktiv. Seit 2011 beteiligt sich der Verein am Strandmüll- und Spülsaummonitoring in Mecklenburg-Vorpommern – im Auftrag und unter Koordination des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG MV). Dabei geht es nicht nur ums Sammeln, sondern auch ums genaue Dokumentieren: Was liegt wo und in welchen Mengen am Strand?
Nina Effelsberg, seit vier Jahren Mitarbeiterin beim EUCC-D, kennt die Schattenseiten der Küsten genau. „Wir waren in der vergangenen Woche mit Sondergenehmigung in den Dünen unterwegs. Dort findet man so ziemlich alles, was man eigentlich nicht finden will.“
Auch am Strandaufgang 1 herrschte reger Betrieb. Dort sortierte Matthias Treichel, Betreiber der Strandoase Treichel, den Inhalt seiner Strandreinigungsmaschine: Kippen, Silvesterreste und anderer Unrat. Eigene Sammelbehälter hatte er bereits aufgestellt – und die füllten sich im Laufe des Vormittags deutlich.
„Die Kippen sind eine echte Plage. Wenn wir so weitermachen, ist der Strand in 20 bis 30 Jahren verseucht“, warnte Treichel. Das Sichtbare sei zudem nur die Spitze des Eisbergs: „Der meiste Müll wird vom Wind verweht und landet mit dem nächsten Hochwasser in der Ostsee.“
Für die tägliche Sauberkeit am Strand sorgt die Tourismuszentrale Rostock & Warnemünde. Ihre Mitarbeiter vom Bauhof sind im Dauereinsatz – in der Hauptsaison bis zu achtmal täglich. Sie leeren Möwen-sichere Mülleimer, räumen verlassene Strandmuscheln und Zelte sowie Campingstühle aller Art weg und stoßen dabei immer wieder auf Kuriositäten.
„Sogar eine Couch und einen Teppich haben wir schon gefunden“, berichtet Bauhofleiter Harald Johannßon. Der spektakulärste Fund: ein riesiges Zelt mit Beleuchtung, entdeckt in Wilhelmshöhe. Beispiele, die deutlich machen: Vieles, was an den Strand getragen wird, findet nicht wieder den Weg zurück nach Hause.
Unterstützung bekam der Cleanup Day auch von Sea Shepherd Rostock. Die Aktivisten Anna Becker und Martin Schumacher beteiligten sich bereits zum zweiten Mal. „Die Tourismuszentrale leistet mit ihrer Strandreinigung gute Arbeit, aber die kleinen Teile bleiben nun mal liegen“, erklärte Anna Becker. Ihr besonderes Augenmerk gilt daher den winzig kleinen, aber hochgefährlichen Zigarettenstummeln.
Eine einzige Kippe kann bis zu 1.000 Liter Wasser verseuchen – sie enthält über 7.000 Schadstoffe, mindestens 50 davon krebserregend. Um die Dimension sichtbar zu machen, hatten die beiden ihr „Kippenrohr“ dabei – eine transparente Röhre, in der alle gefundenen Stummel gesammelt wurden.
Auch im Alltag setzt Becker auf Konsequenz: „Ich habe immer ein kleines Schraubglas dabei, um Kippen aufzusammeln. Jeder kann etwas tun – und wenn es nur das ist.“
Die Tourismuszentrale Rostock & Warnemünde war in diesem Jahr zum zweiten Mal offizieller Partner des Cleanup Days. Zum ersten Mal arbeitete sie dabei Hand in Hand mit Sea Shepherd, dem Amt für Ehrenamt und der Strandoase Treichel.
„Den dritten Sonnabend im September werden wir fest im Kalender behalten“, kündigte Mila Zarkh, Nachhaltigkeitsmanagerin der Tourismuszentrale, an. Umwelt- und Küstenschutz sei vielfältig und funktioniere nur gemeinsam: „Die Strandoase hält ihren Abschnitt sauber, der Bauhof kümmert sich um den Alltag, und Sea Shepherd holt Geisternetze aus dem Meer und verrät, wie man diese nachnutzen kann. Networking ist auch im Umweltschutz entscheidend.“
Eine Idee für die Zukunft hat Zarkh ebenfalls parat: „Ein obligatorisches Cleanup am Neujahrstag wäre ein perfekter Auftakt ins neue Jahr – gern auch als Familienevent.“
Der nächste weltweite Küstenputztag findet am 19. September 2026 statt.
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