Kurz vor Toresschluss: Tourismusverein kritisiert neue Kurabgabesatzung und fordert Verschiebung der Beschlussfassung


28. März 2023

Geht es nach der Tourismuszentrale, soll morgen die neue Kurabgabesatzung in der Bürgerschaft beschlossen werden und schon ab Juni gelten. Doch die Kritik reißt nicht ab und kommt aktuell vom Tourismusverein Rostock & Warnemünde e.V. (TVRW), der als einer der wichtigsten städtischen Player bei der Ausarbeitung des neuen Konzeptes gar nicht erst einbezogen wurde. Am Abend des 23. März, und damit nur wenige Tage vor der entscheidenden Bürgerschaftssitzung, wurden Beschlussvorlage und Zahlenwerk veröffentlicht, beanstandet Alexander Soyk, Vorstandsmitglied im TVRW. „Uns allen war zwar klar, dass etwas kommt, doch die inhaltliche Ausgestaltung der neuen Satzung war uns bis dato unbekannt und das, obwohl sie doch weitreichende Konsequenzen nach sich zieht“, kritisiert Soyk.

Sorgen bereitet den Vermietern die Erhebung eines ganzjährigen Kurabgabesatzes von 3,70 Euro pro Tag und Gast, ausgedehnt auf das gesamte Stadtgebiet, welcher nur wenige Ausnahmen und Ermäßigungen vorsieht (DWM berichtete). Die bislang nur in den Seebädern angesetzte Kurtaxe von 2,25 Euro wird durch einen Mobilitätsanteil von 1,45 Euro erhöht, wobei ausgerechnet die Warnowfähren nicht inkludiert sind. An dieser Stelle sei bemerkt, dass Tourismusdirektor Matthias Fromm vor dem Ortsbeirat Warnemünde/ Diedrichshagen ankündigte, dass auch die Fährüberfahrten zwischen Warnemünde und Hohe Düne ab der Saison 2024 voraussichtlich mit der Kurabgabe abgedeckt seien. Der Geschäftsführer der Weiße Flotte GmbH, Knut Schäfer, kann diesen Optimismus nicht teilen, gibt sich aber grundsätzlich gesprächsbereit: „Am Ende des Tages muss es auch für uns als privatwirtschaftliches Unternehmen auskömmlich sein. Dazu kommt, dass wir uns vor allem den Einheimischen verpflichtet sehen. Hier wollen wir keinesfalls Preisanpassungen vornehmen, denn die werden gerade schon genug zur Kasse gebeten.“ Beim Deutschlandticket sei die Weiße Flotte hingegen dabei, versichert Knut Schäfer.

Zur Kasse gebeten werden künftig auch Tagesgäste mit 2,25 Euro und Zweitwohnungsbesitzer – sofern diese ihre Wohneinheit nicht zu 100 Prozent weitervermietet haben – mit einer Jahrespauschale. Zudem sind An- und Abreisetage voll zu berechnen. Das entspreche zwar der aktuellen Gesetzgebung, schröpfe die Gäste aber zusätzlich. Moniert wird auch, dass es keinerlei Ermäßigungen in der Nebensaison und für touristische Randgebiete der Hansestadt gibt: „An sich ist es der richtige Weg, den ÖPNV einzubinden, doch wir sehen gerade in der Peripherie Defizite, vor allem in den Randbereichen. Ein Ausschluss der Nutzung der Fähre in Warnemünde ist keinem Urlauber zu erklären, der für einen längeren Aufenthalt mit Familie gerade über 100 Euro Kurtaxe bezahlt hat“, so Alexander Soyk.

Fragen ergeben sich weiterhin in Bezug auf die Mittelverwendung, geht doch die Tourismuszentrale von erheblichen Mehreinnahmen aus. Bei der Vorstellung des neuen Veranstaltungskonzeptes in der jüngsten Ortsbeiratssitzung Warnemünde/ Diedrichshagen sei jedoch nichts wirklich Neues hinzugekommen. „365 Tage Kurabgabe im ganzen Stadtgebiet heißt aber auch 365 Tage ein Angebot“, so Alexander Soyk. Wie viele Mittel tatsächlich zusätzlich für „touristische Infrastruktur und attraktive Angebote“ ausgegeben werden können, sei nicht dargestellt: „Oder werden etwa nur Zuschüsse heruntergefahren und verschlingt ein erhöhter Personalaufwand für Kontrollen den Etat?“

Der Tourismusverein hinterfragt auch die kostenfreie Nutzung der viel zu wenigen öffentlichen Toiletten, was mit der neuen Kurabgabe als Errungenschaft verkauft werden soll: „Wir sehen hier eine Aufgabe der Grundversorgung in einer touristischen Gemeinde – benachbarte Seebäder machen uns das seit Jahren vor.“ Der Ortsbeiratsvorsitzende für Markgrafenheide und Hohe Düne, Henry Klützke, pflichtet dem bei: „Da ist bei uns sofort die alte Kritik, dass wir die Infrastruktur gar nicht haben, um Toiletten kostenfrei zu nutzen, laut geworden.“ Es gebe nämlich genau zwei öffentliche Toiletten, die in Frage kämen: eine an der Fähre Hohe Düne und eine weitere an der Bushaltestelle an der Hauptstraße. „In Strandnähe gibt es gar keine und das wird berechtigterweise immer wieder moniert. Da hat die Tourismuszentrale zwanzig Jahre lang geschlafen.“

Völlig unklar bleibt indes die technische Umsetzung bis Juni dieses Jahres: „Die Ausgabe einer Kurkarte bestehend aus perforierten Schnipseln – wie momentan gehandhabt – welche für jede Anreise vom Rezeptionisten auf A4 bedruckt und künstlerisch in mehrere Teile zerlegt werden muss, ist jetzt schon ein unhaltbarer Zustand“, stellt Alexander Soyk im Namen des TVRW fest. Jetzt soll die digitale Gästekarte kommen – nur wie?

Der Tourismusverein fordert nachdrücklich eine Beteiligung an der Entscheidungsfindung: „Eine Kurabgabe von 0 auf fast 4 Euro in der Innenstadt muss einem Gast gut begründet werden, ansonsten stimmt er irgendwann mit den Füßen ab. Das könnte vor allem in der Nebensaison zu einem Problem werden, denn auch andere Gemeinden und Bundesländer haben schöne Orte. Die Gäste der Stadthotels werden nach dem Mehrwert in einer fußläufigen Innenstadt fragen.“

Im Ortsbeirat Warnemünde/ Diedrichshagen hielt Alexander Prechtel für den Strukturausschuss eine Lobeshymne für die Novellierung der Kurabgabesatzung, bezog sich dabei allerdings ausschließlich auf die Vorteile für das Seebad Warnemünde. Zustimmung gab es auch vom Finanzausschuss, dem Wirtschafts & Tourismusausschuss und dem Ausschuss für Stadtentwicklung der Bürgerschaft. Wird das Projekt in der morgigen Bürgerschaftssitzung ebenfalls durchgewunken? Um irgendwie doch noch die Kuh vom Eis zu kriegen, drängen die Touristiker auf eine Verschiebung der Beschlussfassung, damit sich die Branche mit ihren Ideen und Fachwissen einbringen kann.

Update 28. März 2023: Wie der kommunale Sitzungsdienst soeben mitteilte, wird die Entscheidung nur Neufassung der Kurabgabesatzung von der morgigen Tagesordnung der Bürgerschaft gestrichen und auf die nächste Sitzung am 26. April zurückgestellt (DWM berichtete).

Foto (Archiv): Taslair


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