Mit seinen Pfunden soll man bekanntlich wuchern – und genau das tut der eingetragene Edvard Munch Verein aus Warnemünde jetzt auch. Vereinsvorsitzender Ulrich Groß hat mit Unterstützung der Tourismuszentrale, verschiedener Sponsoren und weiterer Helfer einen Kunstpfad unter dem Motto „Edvard Munch in Warnemünde“ entwickelt. Dieser umfasst sieben Stationen, die mit dem Aufenthalt des norwegischen Impressionisten in den Jahren 1907 und 1908 verbunden sind. Da Munch mit dem Zug nach Warnemünde reiste, beginnt der Pfad folgerichtig am Bahnhof – dort, wo alles seinen Anfang nahm. Der Verein möchte damit diese prägende Phase im Leben des Künstlers stärker ins Bewusstsein rücken, ergänzend zum Munch-Haus Am Strom 53. „Das Juwel hat die Kunstwissenschaftlerin Petra Schmidt-Dreyblatt damals geborgen. Sie konnte die Nachfahren der letzten Eigentümerin überzeugen, das Haus an den Verein zu verkaufen“, sagt Ulrich Groß.
Alle sieben Stationen des neuen Pfades sind mit einem QR-Code versehen. „Die dialogischen Texte werden von Studierenden der Hochschule für Musik und Theater eingesprochen. Sie bauen logisch auf dem physischen Pfad auf und erweitern das Ganze um atmosphärische Hintergründe“, so Groß. Neben den deutschen Erläuterungen gibt es auch englische – zeitgemäß und für Gäste aus aller Welt verständlich.
Über 200 Stunden ehrenamtliche Arbeit hat Ulrich Groß in das Projekt investiert. Die Stadtwerke Rostock unterstützten es mit 3.000 Euro. Christoph Wegner, Leiter des Heimatmuseums, half mit Bildern und fachlichem Rat, der Ortsbeirat Warnemünde gab grünes Licht, und die Tourismuszentrale übernahm die Abstimmung der Standortgenehmigungen. „Das habe ich mir vorher nicht so schwierig vorgestellt“, räumt Groß ein. „Für Warnemünde, seine Bewohner und Gäste ist das großartig – ein echter touristischer Mehrwert“, bestätigt René Gottschalk, Leiter der Tourist-Informationen in Rostock und Warnemünde.
Warum Munch überhaupt nach Warnemünde kam, erklärt Groß ebenfalls: Zum einen ermöglichte die Fähr- und Eisenbahnverbindung zwischen Gedser und Warnemünde die bequeme Anreise. Zum anderen suchte Munch einen Ort zum Zurückziehen, Erholen und Arbeiten. Zudem wurde er vom schwedischen Bankier Ernest Thiel finanziell unterstützt: Für den Kauf einer Bildserie erhielt Munch 8.000 Mark – umgerechnet etwa 40.000 Euro.
Im damaligen Hotel Hosmann, dem heutigen Hotel Am Alten Strom, verbrachte Munch die ersten Wochen seines Aufenthaltes. Anschließend zog er in das Haus des Lotsenkapitäns Carl Albert Nielsen, Am Strom 53, wo er bis zu dessen Tod im März 1908 lebte – heute das Munch-Haus. Danach wechselte er in das Haus von Kapitän Peter Voss, Am Strom 30, die vierte Station des Pfades. Hier schuf er auch Werke mit den Schwestern Olga und Rosa Meißner, professionellen Models, die ihm von Berlin nachgereist waren. Munch interessierte sich nicht für die Darstellung lesender oder strickender Frauen; seine Bilder waren emotional intensiver. Liebe, Eifersucht, Hass, Schmerz und Trauer prägten seine Bildwelten.
Viele seiner Werke entstanden im Hotel Rhon, dem heutigen Hotel Germania mit dem Restaurant Hafenliebe, Am Strom 110. Hier schuf er den Werkzyklus „Das grüne Zimmer“ – die fünfte Station des Pfades.
Die sechste Tafel steht am Strand, auf Höhe der ehemaligen Badeanstalt. Dort entstand das berühmte – und einst skandalumwitterte – Bild „Die badenden Männer“. Die beiden Bademeister verloren wegen des Aktposierens sogar ihre Anstellung. Der Hamburger Salon Clematis weigerte sich aus Angst vor Rufschädigung, das Bild zu zeigen. 1911 kaufte schließlich das finnische Nationalmuseum Ateneum in Helsinki das Werk – die Finnen gingen dank ihrer Saunatradition entspannter mit Nacktheit um.
Die siebte Station führt zum Ausflugsziel am Kliff, dem damaligen wie heutigen Hotel Wilhelmshöhe. Die Inhaberin Katharina Soyk gab ihr Einverständnis zur Aufstellung der Tafel. Hier entstand auch das Munch-Bild „Seelandschaft von Warnemünde“.
Es gibt weitere Neuigkeiten: An diesem Sonnabend um 15 Uhr eröffnet im Edvard Munch Haus die Ausstellung der norwegischen Künstlerin Helene Sommer unter dem Motto „Steine bewegen sich, Bäume sprechen“. Sie hat ein dreidimensionales Herbarium geschaffen, in dem gesammelte und getrocknete Proben von etwa 50 Warnemünder Bäumen zusammen mit Objekten, Bildern, Texten und Videos präsentiert werden. Der Eintritt ist frei – wie immer freitags bis sonntags von 12 bis 17 Uhr. „Wir würden auch gern öfter öffnen, aber dafür fehlen uns die finanziellen Mittel“, bedauert Groß.
Trotzdem hat sich viel getan: Der Schriftzug „Edvard Munch Haus“ prangt nun am Giebel, und im Hof wurden mit Fördermitteln drei berühmte Motive auf Glaskeramik umgesetzt (DWM berichtete). Maßnahmen, die das besondere Haus am südlichen Ende des Alten Stroms stärker ins Blickfeld rücken. Ebenso wie die kostenlose App „Actionbound“, die eine Art virtuelle Schnitzeljagd zum Thema „Munch in Warnemünde“ bietet – vor allem für jüngere Besucher.
Maria Pistor
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