Jeder Baum zählt – Rundgang mit Grünamt


09. Januar 2023

Es ist ein stürmischer Nachmittag – mit Windstärken um 6 Beaufort pfeift der Wind aus Nordwest über die Ostsee, die blattlosen Kronen der großen Bäume in Warnemünde wiegen sich im Takt der Böen. Der Dauerregen der vergangenen Tage macht eine Pause.

Am Eingang des Warnemünder Kurparks treffen sich Vertreter des Grünamtes der Hansestadt Rostock mit Mitgliedern der Bürgerinitiative „Rettet den Küstenwald“ (BI) um Sprecherin Annette Boog. Gemeinsam wollen sie die aktuelle Fällliste abgehen, jeden Baum nochmal in Augenschein nehmen, bevor er gefällt wird. So haben sie es 2020 vereinbart, denn im Grunde verfolgen alle das gleiche Ziel – so viele große Stadtbäume, wie möglich, zu erhalten.

Eine hochgewachsene Birke nahe des Spielplatzes im Kurpark ist bereits rot markiert und die erste Station des Rundgangs. „Diese Birke ist nicht mehr zu retten, sie ist sichtlich geschwächt und beginnt zu sterben. Bei der Baumkontrolle haben wir einen langen senkrechten Riss in der Rinde am Stamm entdeckt, sie hat oben schon kahle Äste und eine schüttere Krone. Bis Ende Februar werden wir sie fällen, bevor sie unkontrolliert von allein fällt“ erläutert Steffie Soldan, Teamleiterin Stadtbäume im Rostocker Grünamt.

Auch das Thema, heruntergefallenes Laub zumindest zwischen den Büschen im Kurpark zu belassen, bringt die BI wieder zur Sprache. „Laub hat eine wichtige Funktion für einen gesunden Boden und die Humusbildung, es ist Lebensraum und Winterquartier für kleine Tiere und Insekten. In den Rabatten und Pflanzflächen sollte es über Winter unbedingt im natürlichen Kreislauf bleiben“ fordert die BI-Sprecherin. „Wir werden das nochmal an die Verantwortlichen weitergeben, die wiederum mit den Pflegefirmen sprechen“ verspricht die Teamleiterin.

Einen derzeit kahlen Bereich am südlichen Eingang des Kurparks plant das Grünamt in diesem Jahr neu zu bepflanzen, Auszubildende werden sich darum kümmern. Kleine Sträucher und Stauden, wie insektenfreundlicher Storchschnabel, sollen künftig dort wachsen. Außerdem werde ein neuer kleiner Zaun die Flächen schützen, er soll vor allem das Befahren der bepflanzten Areale zwischen den Bäumen mit Aufsitzmähern verhindern. Keine nochmalige Nachpflanzung werde es hingegen an der Westseite des Parks geben.

Acht junge Eichen aus einer Baumschule, jede etwa drei Meter hoch, hatte das Grünamt 2018 als Ersatz für gefällte Bäume gepflanzt – sie aber wachsen im sandigen Boden des Kurparks einfach nicht an. „Die Eichen pflanzen wir nicht nochmal nach, das macht keinen Sinn. Obwohl wir sie gewässert haben, wollen sie an diesem Standort offenbar nicht wachsen“ sagt David Schröder, der für Warnemünde zuständige Baumkontrolleur. „Einen Versuch war es wert. Jetzt, wo wir sehen, es funktioniert nicht, versuchen wir einen anderen Weg. In solch flächigen Beständen lassen wir der natürlichen Verjüngung ihren Lauf. Wir sehen hier mindestens ein Dutzend kleiner Eichen, Buchen und Linden, die sich selbst ausgesät haben“ ergänzt Steffie Soldan. Alles, was sich seinen Standort sozusagen selbst ausgesucht hat, wachse genau dort auch am besten, so die Erfahrung der Teamleiterin Stadtbäume. Bei der BI trifft sie damit auf offene Ohren.

Nächste Station: die Schillerstraße. Wegen der anstehenden Gehwegsanierung sollten hier vier große alte Linden gefällt werden. Ein Gutachten aus 2019 hatte allen bescheinigt, dass sie absterbend sind und nicht mehr lange standsicher. Die Bürgerinitiative hatte das bezweifelt und hinterfragt. Schließlich wachsen die Straßenbäume hier seit etwa 100 Jahren, trotzen allen Widrigkeiten, verbessern das Klima in der Stadt, kühlen die Luft, spenden Schatten, speichern Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff. Eine etwas geringere Vitalität sei kein Grund für die Fällung eines Altbaumes. Der zuständige Baumkontrolleur des Grünamtes veranlasste daraufhin im Sommer 2021 ein zweites Gutachten – im Ergebnis dürfen nun drei der vier alten Alleebäume stehen bleiben. „Das ist ein schöner Erfolg, denn jeder Baum zählt“ freut sich BI-Sprecherin Boog.

Nur ein paar Meter Richtung Westen sind es bis zum Stephan-Jantzen-Park. Auch hier haben drei Birken die letzten heißen und trockenen Sommer nicht überstanden. Sie sind bereits gekappt und werden demnächst gefällt. Ein Lichtblick: Dank der Hilfe alteingesessener Warnemünder ist hier im Park kürzlich ein alter Brunnen wiederentdeckt worden. Er befindet sich auf städtischem Grund, nun will das Grünamt prüfen, ob und wie er künftig für die Bewässerung der Parkanlage genutzt werden kann. „Diesen Brunnen nutzen zu können, wäre eine gute Lösung“ freut sich Steffie Soldan und bedankt sich für die Initiative der BI. Wegen des Klimawandels ist Wassermangel bei nahezu allen Bäumen in der Stadt ein zunehmendes Problem, viele junge Stadtbäume sind bereits mit Wasserspendern ausgerüstet, die regelmäßig nachgefüllt werden.

Insgesamt hat die Teamleiterin des Grünamtes in Rostock rund 27.500 Stadtbäume in Obhut. Mit etwa 6.800 steht ungefähr ein Viertel davon in Warnemünde. 28 Bäume standen im Seebad auf der aktuellen Fällliste, die meisten von ihnen sind Sturmschäden. Auch auf dem neuen Friedhof muss noch eine fast abgestorbene Birke gefällt werden – die letzte Station des gemeinsamen Rundgangs. Hier müssen Baumkletterer ran, da der gut 25 Meter hohe Baum mit anderer Technik nicht erreichbar ist.

„Alles in allem ist Rostock noch eine sehr grüne Stadt, das zeigt mir vor allem der Austausch mit Kolleginnen aus anderen Städten. Unser Ziel ist, dass es nicht weniger Grün wird. Für jeden gefällten Baum pflanzen wir Ersatz“ resümiert die Teamleiterin Stadtbäume, bevor sie an diesem stürmischen Nachmittag aus Warnemünde zur nächsten Ausschusssitzung nach Rostock eilt. BI-Sprecherin Boog bedankt sich für den zweistündigen Rundgang vor Ort und den direkten Informationsausstausch: „Es ist immer gut, miteinander zu sprechen, auch wenn man manchmal unterschiedlicher Meinung ist. Ich freue mich sehr, dass sich die Kommunikation mit dem Grünamt in den vergangenen drei Jahren so verbessert hat – und wir bleiben im Gespräch, zum Wohle der Bäume und damit ja auch der Menschen.“ Bäume in der Stadt seien eben weit mehr als nachwachsendes Brenn- oder Baumaterial – sie sind natürlicher Lebensraum und sorgen entscheidend mit für ein angenehmes Klima.

RikeM


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