Während sich Warnemünde im Hochsommer von seiner besten Seite zeigt und Gäste aus aller Welt durch die Straßen des Ostseebads flanieren, geht im Herzen des Seebades die sprichwörtliche Schaufel in den Asphalt. Die Wanderbaustelle zum Fernwärmeausbau hat sich Anfang der Woche ein neues Teilstück der Heinrich-Heine-Straße vorgenommen – nun ist der Bereich von er Wachtlerstraße bis zur Einmündung Mühlenstraße abgeriegelt. Das sorgt nicht nur für Umleitungen, sondern vor allem für Verdruss bei den Gewerbetreibenden. Eine durch die IHK zu Rostock einberufene Versammlung am 24. Juli brachte für sie kein zufriedenstellendes Ergebnis.
Der Ärger ist groß – und inzwischen auch juristisch untermauert. Auf Initiative von Michael Paasch, Vermieter und Vorstandsmitglied des Handels- und Gewerbevereins (HGV) Ostseebad Warnemünde, wurde ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Schwerin angestrengt. Gemeinsam mit dem Cafébetreiber Guido Eicher von „Guidos Coffeebar“ forderte man einen sofortigen Baustopp am Kirchenplatz. Und das Gericht reagierte prompt: Die Stadt Rostock darf laut Beschluss bis auf Weiteres keine Bauarbeiten im Bereich Kirchenplatz 6, 7 und 7a durchführen – der Ausbau sei bislang ohne gültige verkehrsrechtliche Anordnung erfolgt und somit rechtswidrig.
Trotz des richterlichen Stopps: Die Bauarbeiten laufen weiter. „Ich habe die zuständige Richterin angerufen. Sie war wenig amüsiert und sprach von einer Unverschämtheit“, berichtet Paasch. Stadtwerke-Sprecher Alexander Christen räumt ein, dass der Fall derzeit intern geprüft werde: „Wir befinden uns in Kontakt mit verschiedenen Ämtern der Stadt Rostock und prüfen derzeit den Vorgang.“ Eine juristische Posse mitten im Urlaubsparadies – und ein handfester Skandal für die Betroffenen.
Die Kritik richtet sich dabei weniger gegen die Maßnahme an sich – der Fernwärmeausbau gilt langfristig als umweltfreundliche Infrastrukturinvestition –, sondern gegen den Zeitpunkt. „Wir sprechen hier nicht von einer akuten Havarie, sondern von planbaren Maßnahmen, die auch in der Nebensaison realisierbar wären“, so Paasch. Die Baustelle verschärft die Situation der Gewerbetreibenden, die in der Sommersaison einen Großteil ihres Jahresumsatzes generieren. Umsatzeinbußen sind laut HGV flächendeckend spürbar – von Cafés über Läden bis zu Ferienvermietern. Selbstverständlich habe das auch Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Stadt Rostock, denn „eine Kuh kann man nur so lange melken, wie sie Milch gibt“, sagt Michael Paasch.
Die CDU-Fraktion der Rostocker Bürgerschaft hat bereits reagiert und wird nächsten Sitzung einen Antrag einbringen, der einen verbindlichen Baustopp für nicht sicherheitsrelevante Maßnahmen in Warnemünde während der Hauptsaison vorsieht. „Aufgerissene Straßen, fehlende Parkplätze und erschwerte Zugänge zu Geschäften mitten in der Hochsaison – das ist nicht tragbar“, erklärt Fraktionsvorsitzende Chris Günther. Ihr Vorschlag: Keine Baumaßnahmen im Zeitraum vom 15. März bis 31. Oktober, in Anlehnung an die touristische Öffnungszeitenverordnung des Landes.
Der HGV lädt unterdessen zur öffentlichen Versammlung: Am Sonnabend, 2. August, ab 10 Uhr soll der Kirchenplatz zum Sprachrohr für Warnemündes Sorgen werden. Unter dem Motto „Was Warnemünde bewegt und besorgt!“ treffen sich Betroffene und Interessierte zu Live-Musik und Austausch – direkt vor „Guidos Coffeebar“, dem Epizentrum des Protests. Die zentrale Forderung: Ein sofortiger Baustopp aller nicht zwingend notwendigen Maßnahmen vor der Hanse Sail 2025 und ein Umdenken in der Planung der Stadt. Es wird eine Unterschriftenliste ausliegen.
Die aktuelle Lage wirft grundlegende Fragen auf: Wie sensibel agiert die Verwaltung gegenüber dem saisonalen Takt eines Tourismusortes? Wie werden wirtschaftliche Interessen gegen infrastrukturelle Entwicklungen abgewogen? Und wie ist es möglich, dass trotz eines klaren Gerichtsbeschlusses weitergearbeitet wird?
„Wir leben in einem Rechtsstaat. Dass ein solcher Beschluss ignoriert wird, ist skandalös“, sagt Paasch – und betont: „Wir sind keine Querulanten, wir wollen nur mitreden.“ Und das müssen sie sogar, etwa dann, wenn die verkehrsrechtliche Schieflage geheilt werden soll.
Eines ist sicher: Der Streit um die Fernwärmeleitung hat sich längst zu einem Symbol für ein tieferliegendes Problem entwickelt – das Ringen um ein lebenswertes Warnemünde im Spannungsfeld zwischen Tourismus, Verwaltung und Infrastrukturpolitik.
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Normalerweise sollte sich die Politik sowie unsere Bürgermeisterin an der Spitze der Verwaltung einmal fragen ob dieses ignorante Verhalten den Geschäftsleuten ,den Anwohnern und auch den Touristen gegenüber noch vertretbar ist. Augen zu und durch wird sich eines Tages im Investitionsverhalten der Geschäftsleute, dem Reiseverhalten der Touristen und dem Wahlverhalten der Warnemünder wieder spiegeln. Doch dann ist es leider zu spät zum Handeln.
Sorry, das Datum war ein Fehler vom Amt ;-)
Interessanter Artikel.
Eines sticht heraus: wie können die Verfasser am 01.08.2025 wissen was am 24. August bei der IHK besprochen wird.
Trotzdem: kein Einspruch in den vorbereitenden OBR-Sitzungen seit 2024 und zu den veröffentlichten Plänen...