Wenn die Hanse Sail in Rostock vom 7. bis 10. August ihre Segel hisst, steckt mehr dahinter als nur maritime Tradition und Seefahrerromantik. Auch soziales Engagement und Nachhaltigkeit gehen mit auf große Fahrt – sichtbar zum Beispiel in den Kapitänsbeuteln, die ausrangierte Fahnen und Banner in ein zweites Leben schicken. Hergestellt werden diese maritimen Unikate im Michaelwerk Kröpelin, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, viel Hingabe und handwerklichem Geschick.
In der Werkstatt hallt das rhythmische Surren der Nähmaschinen durch den Raum. Annette Frahm sitzt an einer robusten Veritas-Nähmaschine – alt, aber bewährt. „Die funktioniert prima“, sagt sie lachend, während sie die nächste Naht zieht. „Und ich mach das auch schon eine ganze Weile, das ist schon Routine.“ Unter ihren Händen entsteht ein blauer Beutel mit dem typischen „Sail“-Schriftzug – ein Stück Stoff mit Geschichte, das bald in den Händen eines Kapitäns landen wird. Gefüllt mit Infos, Plänen und kleinen Willkommensgeschenken für die Crew.
Die Idee für das Upcycling stammt vom Hanse Sail-Verein. Statt abgenutzte oder veraltete Fahnen und Banner zu entsorgen, sollte dem robusten Material neues Leben eingehaucht werden. Gisbert Ruhnke, Vereinsvorsitzender, knüpfte vor zwei Jahren den Kontakt zum Michaelwerk. Dort stieß die Idee auf offene Ohren – und flinke Hände.
„Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir das Material nutzen können“, berichtet Marina Strogies, Arbeitsbereichsleiterin im Michaelwerk. „Wir haben Muster angefertigt und uns für die Beutel entschieden.“ Rund 150 Beutel sind allein in diesem Jahr entstanden – jeder ein Unikat, jeder mit einem Stück Hanse-Sail-Geschichte in sich.
Das Besondere: Die Herstellung ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Jeder Mitarbeitende bringt sich mit seinen Fähigkeiten ein – beim Zuschneiden, Abstecken, Nähen. „In unseren Werkstätten arbeiten Menschen mit Behinderung, jeder nach seinen individuellen Fähigkeiten. Einer macht den Zuschnitt, der nächste steckt ab, der dritte näht – jeder in seinem Tempo“, sagt Strogies. Über allem behält Carmen Weiß, Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung, den Überblick. „Wir schneiden das Material so zu, dass möglichst wenig Stoff, aber möglichst viel Design übrigbleibt.“
Am Ende blieb nicht nur ein gutes Gefühl – sondern auch ein paar Stoffreste. Und aus denen wurde kurzerhand ein Hanse-Sail-Rucksack entworfen, ein neues Produkt mit Potenzial für die Zukunft. Vielleicht wird auch daraus einmal eine Serie, gefertigt in den Werkstätten der Evangelischen Stiftung Michaelshof, zu der das Michaelwerk gehört. Hier arbeiten rund 180 Menschen mit Behinderung und etwa 50 Betreuer.
Arbeit mit Perspektive
Für Marina Strogies steckt mehr als Handwerk in dem Projekt. Sie sieht darin eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt: „Vielleicht gibt es mal eine Kooperation mit Handwerksbetrieben, die jemanden suchen, der nähen, gravieren oder mit Holz arbeiten kann.“ Denn wer in Kröpelin Stoff zu Taschen verarbeitet, bringt nicht nur Talent, sondern auch viel Herzblut mit.
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