„Die Kosten würden uns auffressen und das besondere Flair dieses Fischmarktes würde verlorengehen. Die Umgestaltung, die die Stadt jetzt hier auf der Mittelmole plant – feste Container als Ersatz für unsere mobilen Verkaufsstände – das macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Damit machen sie uns platt, wie `ne Flunder“ wettert Fischer Ingo Pinnow. Schon sein Vater hat in Warnemünde gefischt, den Fang traditionell immer frisch ab Kaikante verkauft.
Ein paar Meter weiter pult Andreas Harant die ersten Heringe des Jahres aus dem Netz – auch er fischt hier seit 30 Jahren, seine Frau Anja verkauft – seit vergangenem Jahr aus ihrem nagelneuen Verkaufsanhänger heraus. Der steht direkt am Liegeplatz ihres Bootes, genau da, wo vorher ihr Verkaufszelt stand. Ihren frischen Fang bieten sie nun neben Räucherfisch, Backfisch, selbstgekochter Fischsoljanka oder Fischbrötchen an. Diese sogenannte Sortimentserweiterung war notwendig geworden, nachdem die Europäische Union (EU) mit den Fangquoten für das Jahr 2022 praktisch ein Fangverbot für Dorsch und Hering in der Ostsee vor Warnemünde verhängt hatte. Deswegen haben sie investiert in ein zweites Standbein. „Wir wollen, dass wir unseren Hänger behalten, dass es erstmal bleibt, wie es jetzt ist“ erklärt Fischer Harant ganz ruhig. Ohnehin sei die jeweilige Situation der letzten verbliebenen Fischer kompliziert genug.
Die Hansestadt Rostock hingegen sieht offenbar Handlungsbedarf. Das Hafen- und Seemannsamt habe damit begonnen, Varianten zur Umgestaltung der Fischerkai auf der Mittelmole zu entwickeln, hieß es auf Nachfrage von DWM bei der Stadt. Das Amt teilt unter anderem mit: „Im Vordergrund stehen dabei die weitere Aufwertung des bei Rostockern und Touristen beliebten traditionellen Fischmarktes, sowie die bessere Identifikation mit diesem Aufenthaltsort durch ein einheitliches Erscheinungsbild.“
Konkret heißt das, die individuellen mobilen Verkaufsstände der Fischer sollen festen einheitlichen Containern weichen. Die Stadt würde sie aufstellen und die Großmarkt Rostock GmbH mit der Bewirtschaftung beauftragen. Dort wiederum könnten die Fischer und Fischhändler einen Container samt Stellplatz mieten. Für die Einrichtung, Ausstattung und das Angebot wären sie selbst verantwortlich, Strom und Wasser würden zusätzlich nach Verbrauch abgerechnet. Das erfuhren die Fischer bei einer ersten Informationsveranstaltung der Stadt im Januar.
„Worin soll bei diesem Projekt die Unterstützung für uns Fischer bestehen? Wieso sollen wir für etwas bezahlen, das wir gar nicht wollen und auch nicht brauchen?“, fragt Ingo Pinnow. Alle hätten in ihre mobilen Fischverkaufsstände investiert, die Wagen der Nutzung entsprechend eingerichtet und ausgebaut, die Kunden nehmen es gut an. Der finanzielle Aufwand neuerlicher Investitionen stehe für ihn in keinem Verhältnis zum Nutzen. Außerdem tauchten sofort weitere Fragen auf, scheinbare Kleinigkeiten. So spreche sich herum, dass die stationären Container keine waagerechten Klappen mehr haben sollen – quasi die Vordächer der Verkaufshänger wegfallen würden. Die allerdings schützen nicht nur bei Regen, sondern vor allem vor den gefräßigen, aggressiven Möwen. Jeder, der schon mal unachtsam mit einem Fischbrötchen darunter hervorgetreten ist, kennt das Problem.
Es scheint, wie so oft, gut gemeint ist nicht immer gleich gut gemacht. Die Stadt hat eine andere Sichtweise als die Betroffenen. Die würden sich wünschen, dass die verantwortlichen Planer ruhig mal vor Ort kommen, sich selbst ein aktuelles Bild auf der Mittelmole machen, mit ihnen sprechen. Letztlich haben wohl alle das gleiche Ziel, den traditionellen Warnemünder Fischmarkt zu erhalten und möglichst viele Gäste anzulocken. Die Stadt weist darauf hin, dass es sich bei den derzeitigen Planungen zur Neugestaltung um einen im Fluss befindlichen Arbeitsprozess handelt, man wolle mit Fischern und Fischhändlern im Austausch bleiben.
Jetzt hoffen alle erstmal auf besseres Wetter. Die ersten frisch gefangenen Heringe dieses Jahres sind über die Theken der Fischer gegangen – traditionell gleich an der Kaikante, ohne lange Transportwege. Andreas Harant bereitet seine Netze samt Fanggeschirr für den nächsten Einsatz vor. Erst wenn der Sturm der vergangenen drei Tage sich gelegt hat, können die Warnemünder Küstenfischer mit ihren kleinen Booten wieder hinausfahren auf die Ostsee. Übrigens, bei Sturm, Kälte und Regen läuft auch an ihren Verkaufswagen auf dem Fischmarkt fast nichts – es fehlen einfach die Kunden. Und daran würden auch neue Verkaufscontainer auf der Mittelmole nichts ändern können, sagt die Erfahrung der verbliebenen Handvoll Fischer am Alten Strom von Warnemünde.
RikeM
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