Erstmals Sandregenpfeifer an der Ostsee ausgewildert: Zoo Rostock und NABU setzen gemeinsames Artenschutzprojekt um


07. August 2025

Ein zarter Flügelschlag mit großer Bedeutung: Mit der ersten kontrollierten Auswilderung von Sandregenpfeifern an der Ostsee beginnt ein neues Kapitel im praktischen Naturschutz. In einem gemeinsamen Projekt von Zoo Rostock, NABU Mittleres Mecklenburg und der Fachgruppe Ornithologie Rostock wurden gestern vier junge Sandregenpfeifer in das Naturschutzgebiet Riedensee bei Kägsdorf entlassen – aufgezogen in menschlicher Obhut, gefunden an gefährdeten Brutplätzen entlang der stark frequentierten Ostseeküste.

Rettung aus der Gefahrenzone

Die nun ausgewilderten Jungvögel stammen aus Eiern, die an ungeeigneten Brutstellen zwischen Kühlungsborn und Warnemünde entdeckt wurden – unter anderem in direkter Nähe zu Strandaufgängen oder inmitten touristischer Hotspots. „Da diese Gelege in der Natur kaum eine Chance gehabt hätten, haben wir in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock und gemeinsam mit der Fachgruppe Ornithologie entschieden, Eier aus diesen Risikozonen zu entnehmen und im Zoo zu erbrüten und aufzuziehen“, erklärt Jonas Homburg, Vogelkurator im Zoo Rostock. „Mit der ersten Auswilderung dieser Jungvögel hoffen wir, einen ganz konkreten Beitrag zum Erhalt der Art leisten zu können.“

Die Aufzucht fand hinter den Kulissen der Seevogelanlage im Zoo Rostock statt. Neben sorgfältiger Pflege erhielten die Küken auch gezieltes Training: Sie lernten unter anderem, auf potenzielle Gefahren wie Hunde oder Raubtiere zu reagieren – ein wichtiger Schritt, um sie auf das Leben in freier Natur vorzubereiten.

Symbolart der bedrohten Küstenlandschaft

Der Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula) ist ein kleiner Watvogel und typischer Bewohner der Ostseeküste. Doch seine Zukunft ist ungewiss. „In Deutschland gilt die Art mit weniger als 1.000 Brutpaaren als vom Aussterben bedroht“, sagt Mathias Hans Vieth, Leiter der Fachgruppe Ornithologie Rostock im NABU Mittleres Mecklenburg. „Vor allem die intensive Nutzung der Strände durch Tourismus, Freizeitaktivitäten und Hunde führt dazu, dass störungsfreie Brutplätze rar geworden sind.“

Der Sandregenpfeifer ist ein faszinierender Überlebenskünstler: Als Bodenbrüter legt er seine Eier direkt in Sandmulden. Seine Küken sind bei Gefahr so gut getarnt, dass sie kaum vom Untergrund zu unterscheiden sind – eine Überlebensstrategie, die an stark besuchten Stränden jedoch oft zur Falle wird.

Naturschutz konkret – direkt vor unserer Haustür

Die Auswahl des Riedensees als Auswilderungsort ist kein Zufall. Das Gebiet ist ein seit Jahren betreutes Schutzgebiet des NABU mit gezielter Besucherlenkung, ideal für empfindliche Arten wie den Sandregenpfeifer. „Das langjährig vom NABU betreute Naturschutzgebiet Riedensee bietet durch die Qualität des Lebensraums und die dort umgesetzten Maßnahmen zur Besucherlenkung beste Voraussetzungen, damit sich die Jungvögel in ihrem natürlichen Lebensraum integrieren können“, betont Jonas Homburg. „Die gemeinsame Auswilderung ist darüber hinaus ein wertvolles Signal, wie wir konkrete Maßnahmen für den Schutz der Artenvielfalt direkt vor unserer Haustür umsetzen können.“

Maßnahmen für eine geschützte Zukunft

Das Projekt zur Auswilderung ist eingebettet in ein umfassendes Schutzkonzept. Neben der gezielten Nachzucht setzt der NABU gemeinsam mit dem Zoo auf Monitoring, Schutzflächen und Öffentlichkeitsarbeit. Seit 2022 entstehen in sensiblen Strandbereichen sogenannte „Strandinseln“ – temporär abgesperrte Bereiche, die als sichere Brutgebiete dienen. „Nachdem sich diese Maßnahme seit 2022 im NABU-Projektgebiet am Riedensee bewährt hat, konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Zoo zum wiederholten Mal auch Flächen in Börgerende und Elmenhorst sichern, wo bereits erfolgreiche Brutpaare gesichtet werden konnten,“ erklärt Joachim Springer vom NABU Mittleres Mecklenburg.

Sind Schutzmaßnahmen vor Ort nicht möglich, bleibt die Entnahme der Gelege als letzte Option. So soll der Nachwuchs in kontrollierter Umgebung eine zweite Chance erhalten. Mit Infotafeln, Social Media und Presseterminen wird zudem kontinuierlich über das Projekt informiert und für Rücksicht auf Strandbrüter geworben. „Das Aufzuchtprogramm mit Auswilderung ergänzt unseren Ansatz und soll die Überlebenschancen der Art erhöhen“, so Jonas Homburg. „Indem wir Tiere großziehen, die in der Natur keine Chance gehabt hätten, stärken wir die Population.“

Ein erster Schritt mit Signalwirkung

Die gestrige Auswilderung ist nicht nur ein Meilenstein für den Sandregenpfeifer – sie ist auch ein Beispiel für erfolgreiche Kooperation im Naturschutz. Wenn alle geplanten Maßnahmen greifen, sollen in den kommenden Jahren weitere Jungvögel aus künstlicher Aufzucht in sichere Küstenbereiche entlassen werden.

Der kleine Watvogel wird damit nicht nur zum Symbol einer bedrohten Küstennatur, sondern auch zum Hoffnungsträger für erfolgreichen Artenschutz in Mecklenburg-Vorpommern.


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