Brunnen im Warnemünder Stephan-Jantzen-Park wieder zugeschüttet – Wer braucht schon Wasser?


22. Mai 2023

Sonnenschein und Wind hier im Norden an der Ostseeküste – seit Wochen schönes Wetter und kein Regen. Wassertonnen und Zisternen in den Gärten sind leer. Da haben die Pflanzen halt Pech, die Großen wie die Kleinen. Müssen die alten Bäume sich eben ein bisschen mehr anstrengen, ihre Wurzeln tiefer in die Erde bohren auf der Suche nach Grundwasser. In den städtischen Amtsstuben kommt das Wasser ja zuverlässig aus dem Wasserhahn oder dem WC-Spülkasten – läuft doch!

Um einige Stadtbäume wird sich sogar gekümmert. Sie haben Wassersäcke aus Plastik umgeschnallt bekommen, das sieht zumindest so aus, als seien sie versorgt. Immer bei Bedarf werden die grünen Beutel mit ziemlich viel Aufwand nachgefüllt, ein Tankwagen bringt das Wasser von weit her, dreht dafür seine Runden durch die Stadt – soweit die Theorie. Wer praktisch einen der Wassersäcke anhebt, beispielsweise am Kirchenplatz in Warnemünde, merkt sehr schnell – ups, der ist ja ganz leicht, also leer. Darunter haben sich Ameisen gemütlich eingerichtet, die Erde ist staubtrocken. Um das festzustellen, sind auch keine digitalen Bodenfeuchtesensoren nötig, die per App melden würden, welche der tausenden Stadtbäume gerade den größten Durst haben.

Angesichts der Klimaveränderungen und zunehmend trockneren Sommer hilft nur eins, um das noch vorhandene Grün zu erhalten – Wasser. Wie schön wäre es bloß, einen Brunnen vor Ort zu haben?! Die gute Nachricht zuerst: Es gibt einen wiederentdeckten Brunnen im Stephan-Jantzen-Park, rund um den alten Friedhof in Warnemünde (DWM berichtete, 29.03.2023). Groß war damals die Freude bei der Stadt und die Aussicht auf vor Ort verfügbares Wasser für den von Winddürre geplagten Park. Die nicht so erfreuliche Nachricht: Seitdem ist nicht nur nichts passiert – der Brunnen ist in die städtischen Amtsmühlen geraten – und von der Stadt vorsorglich erstmal wieder zugeschüttet worden. Dabei war alles schon soweit vorbereitet, dass gar nicht mehr viel gefehlt hätte – bis zum „Wasser marsch!“.

Nun stell dir vor, du bist der, der den Brunnen damals zu DDR-Zeiten gebaut und sich im Sommer letzten Jahres seiner erinnert hat, als alle nach Wasser schrien. Aus Neugier und beflügelt von deiner Ingenieursehre hast du ihn mit Spaten und Schaufel freigegraben, Wasser in der Brunnenstube gefunden, es auf seine Qualität testen lassen, schon mal organisiert, woher der elektrische Strom für die Pumpe kommen könnte, das weitere Vorgehen geplant – das alles in deiner Freizeit, mit dem Wissen, es ist nicht dein Brunnen, du tust es für das Gemeinwohl. Auch die nächsten Schritte sind dir sonnenklar: Test der Pumpe und der Förderfähigkeit der Brunnenanlage. Das war der Stand Anfang dieses Jahres. Dann kam das Amt für Stadtgrün mit ins Boot. Du dachtest: Hurra, jetzt geht es richtig voran. Schon sehr bald helfen wir den Pflanzen, pumpen das Wasser aus der Erde hoch und lassen es hier im Park gleich wieder verrieseln. Soweit die Theorie.

Praktisch ist plötzlich alles äußerst kompliziert. Die Stadt bekommt quasi einen Brunnen geschenkt – eijeijei, darauf ist wirklich keiner vorbereitet. Und schon gar nicht darauf, dass du freiwillig deine Hilfe bei einer möglichen Wiederinbetriebnahme anbietest. Es lässt dir keine Ruhe, immer mal wieder fragst du nach, wann du dich endlich mit einem beauftragten Brunnenbauer bei „deinem Baby“ treffen kannst, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Und dann passiert es.

Während deines vorerst letzten Anrufs hörst du, der Brunnen sei nun offiziell in städtischem Eigentum und du darfst daran überhaupt nichts mehr machen, gar nix – also „Hände weg!“ vom städtischen Brunnen. Es gibt jetzt neue gesetzliche Vorschriften und Richtlinien, es ist nicht mehr so einfach wie früher. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, lässt der aktuelle Eigentümer die mit Schloss gesicherten, mühsam freigegrabenen, stählernen Abdeckklappen der Brunnenstube überraschend wieder zuschütten – mit mehr als einem Kubikmeter Erde. Still ruht der Brunnen nun – seit Ende April wieder unter der Erde. Es würde sogar Gras drüber wachsen, wenn es nicht so trocken wäre.

Wenn ein Brunnenbauer gefunden und beauftragt sei, würde der gegebenenfalls Kontakt mit dir aufnehmen – solange musst du eben Geduld haben. Die Stadt wartet schließlich auch noch – auf weitere Angebote. Vielleicht ticken die Uhren für einen fitten Ingenieur mit 85 Jahren Lebens- und Berufserfahrung, der immer lösungsorientiert gearbeitet hat, einfach anders? Na und? Ganz ehrlich – so ein Brunnen, der plötzlich auftaucht, macht doch nur mehr Arbeit. Und wer soll es denn neben all den anderen Aufgaben schaffen, sich darum zu kümmern? Es ging ja auch 30 Jahre lang ohne den Brunnen. Haben die Pflanzen halt Pech, dass er nicht den Brunnenwiederentdeckern gehört. Wen juckts?! Wer braucht schon Wasser? In den städtischen Amtsstuben läuft es ja – weiterhin zuverlässig aus dem Wasserhahn. Und wer weiß, möglicherweise wird es sogar hier im Norden an der Ostsee irgendwann mal wieder regnen.

RikeM


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Liedermacherin Bea - 27.05.2023 um 16:35 Uhr
Geschockt und doch ist einem das klar in dieser Zeit, wie dumm-dreist die Amtsschimmel wiehern heutzutage. Das ist ein Fall für Extra 3. ich werd's gleich mal hin schicken. Schön geschrieben. Danke. Wir sehen uns bei der Bürgerinitiative "Rettet den Küstenwald". Wir wehren uns so gut es geht!!
Liedermacherin Bea
lima - 22.05.2023 um 11:16 Uhr
Der "Spassbrunnen" (ohne jeden Zweck) mit teurer Stele am Kirchenplatz wurde schnell gebaut.
Der wiederentdeckte Brunnen im Jantzenpark bewässert ohne zu großen Aufwand Bäume und Pflanzen !!!!
Was ist los in Rostocks Amtsstuben !
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