Blaualgenblüte verhindert Erholung des Ostdorschbestandes


30. März 2024

Die Ostsee steht vor einer ernsten ökologischen Herausforderung, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und des Thünen-Instituts für Ostseefischerei offenbart. Trotz Fangverbots bleibt der Ostdorschbestand in der Krise und erholt sich nicht, was Wissenschaftler bisher vor ein Rätsel stellte.

Forschende des IOW und des Thünen-Instituts für Ostseefischerei konnten nun erstmals nachweisen, dass sich in Ostseeregionen mit großflächigen Blüten fädiger Blaualgen, die vor allem durch Überdüngung und Klimawandel auftreten, das Nahrungsnetz für den Dorsch verlängert hat. Der Population steht deutlich weniger Energie zur Verfügung als in Gebieten ohne Blaualgenblüten. Verbessert sich das Nährstoffregime nicht, kann sich der Ostdorsch nicht erholen.

Die Untersuchungen zeigen, dass Blaualgenblüten die Nahrungsnetzebenen in der Ostsee verändern. Dem Ostdorsch steht somit deutlich weniger Energie zur Verfügung als seinen Artgenossen in Gebieten ohne Blaualgenblüten. Von einer Ebene zur nächsten gehen rund 90 Prozent der Energie verloren. Je mehr Ebenen ein Nahrungsnetz hat, umso weniger Energie kommt bei den Lebewesen mit den höchsten Positionen, wie etwa Raubfischen, an.

Markus Steinkopf, Meeresbiologe am IOW, erklärt: „Das Phytoplankton der zentralen Ostsee hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark verändert. Zunehmend wird es im Sommer von massenhaft auftretenden fadenförmigen Cyanobakterien dominiert. Das Phänomen ist als Blaualgenblüten bekannt.“ Wegen ihrer Form und Größe können fädige Blaualgen nicht von den kleinen Krebsen des Zooplanktons gefressen werden.

Eine im Fachjournal Ecology and Evolution veröffentlichte Studie zeigt auf, dass in Gebieten mit Blaualgenblüten das Nahrungsnetz für den Ostdorsch deutlich länger ist als in Gebieten ohne diese Blüten. Steinkopf erklärt weiter: „Die Nahrungsnetzposition des Westdorsches liegt bei 4,1, die des Ostdorsches dagegen zwischen 4,8 und 5,2. Das bedeutet einen Energieverlust von gut 60 bis 99 Prozent für den Ostdorsch im Vergleich zum Westdorsch.“

Uwe Krumme vom Thünen-Institut für Ostseefischerei ist Co-Autor der Studie und ergänzt, dass die Unterschiede in der Nahrungsnetzposition zwischen Ostdorschen und Westdorschen nicht allein durch ihre unterschiedliche Ernährung erklärt werden können. Vielmehr führe die Umstellung des Zooplanktons in Blaualgengebieten zu einem zusätzlichen Energieverlust für die Tiere. „In den Blaualgengebieten stellt sich das Zooplankton um. Statt sich vegetarisch zu ernähren, frisst es Mikroben, die sich von Ausscheidungen oder Abbauprodukten der Blaualgen ernähren, wenn die Blüten absterben“, führt Natalie Loick-Wilde, ebenfalls Co-Autorin der Studie und Spezialistin für Isotopen-basierte Nahrungsnetz-Analyse, aus. Dadurch entstehe eine zusätzliche Nahrungsnetzebene mit zwangsläufig zu hohem Energieverlust bei den Tieren auf nachgeschalteten Positionen.

Die Studie lasse vermuten, dass Nahrungsnetzverlängerungen nicht nur für die Ostsee relevant seien, sondern sich zu einem Problem globaler Natur entwickeln würden, da der Klimawandel schädliche Algenblüten und viele weitere Stressoren verstärkt, so Markus Steinkopf abschließend. Länderübergreifende Maßnahmen gegen die Überdüngung der Ostsee um das Nahrungsnetz zu rehabilitieren sind daher alternativlos. Einschränkungen bei der Fischerei allein reichen eben nicht mehr aus, um den Ostdorschbestand zu retten.


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