Wiederbelebung nach 7000 Jahren: Forschende erwecken prähistorische Alge zum Leben


02. April 2025

Ein Team des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) hat eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Eine Algenart, die seit fast 7000 Jahren im Ostseeschlamm ruhte, konnte wiederbelebt werden. Ohne Licht und Sauerstoff hatte sie im Sediment überlebt und zeigt nun ihre volle Lebensfähigkeit. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten ISME Journal veröffentlicht.

Eine Zeitreise im Ostseeschlamm

Die Forschenden untersuchten Sedimentproben aus 240 Metern Tiefe im östlichen Gotlandtief. Diese wurden 2021 mit dem Forschungsschiff Elisabeth Mann Borgese entnommen. Ziel der Studie war es, Algen-Dauerstadien aus vergangenen Zeiten zu reaktivieren und ihre genetische Entwicklung nachzuvollziehen.

„Solche Ablagerungen sind wie eine Zeitkapsel mit wertvollen Informationen über vergangene Ökosysteme“, erklärt Sarah Bolius, Erstautorin der Studie und Expertin für Phytoplankton am IOW. Durch die Untersuchung von Sedimentkernen können Forschende Rückschlüsse auf vergangene Umweltbedingungen wie Salzgehalt, Sauerstoffkonzentrationen und Temperaturen ziehen.

Die prähistorische Kieselalge Skeletonema marinoi erwachte dabei aus allen untersuchten Proben. Die älteste enthielt lebensfähige Zellen, die auf ein Alter von rund 6871 Jahren datiert wurden. „Erstaunlich ist, dass die wiedererweckten Algen nicht nur ‚gerade so‘ überlebt haben, sondern offenbar auch ihre ‚Fitness‘,  also ihr biologisches Leistungsvermögen nicht eingebüßt haben: Sie wachsen, teilen sich und betreiben Photosynthese wie ihre modernen Nachfahren“, betont Bolius.

Was die Entdeckung bedeutet

Dieses Phänomen ist Teil der sogenannten „Resurrection Ecology“ (Auferstehungsökologie). Es zeigt, dass Lebewesen in eine Art Schlafmodus übergehen können, um ungünstige Umweltbedingungen zu überstehen. Auch Pflanzen oder Kleinkrebse können über lange Zeiträume in diesem Zustand verbleiben. Doch ein erfolgreicher Nachweis für die Wiederbelebung nach 7000 Jahren ist eine Seltenheit.

„Dass wir tatsächlich so alte Algen-Dauerstadien erfolgreich aus der Dormanz reaktivieren konnten, ist ein erster wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung des Werkzeugs ‚Resurrection Ecology‘ in der Ostsee“, so Bolius weiter. Die genetischen Untersuchungen zeigen zudem, dass sich die Algenpopulationen über Jahrtausende hinweg verändert haben. „Unsere Studie zeigt, dass wir genetische Veränderungen über viele Jahrtausende hinweg direkt nachvollziehen können – und das mit lebenden Zellen statt nur mit Fossilien oder DNA-Spuren.“

Zukunft verstehen durch den Blick in die Vergangenheit

Die Studie wurde im Rahmen des Verbundprojekts PHYTOARK durchgeführt, das die Entwicklung des Ostsee-Phytoplanktons in den letzten 8000 Jahren erforscht. Koordiniert wird das Projekt am IOW durch Anke Kremp, Leiterin der Arbeitsgruppe Phytoplanktonökologie. Beteiligt sind neun Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Finnland, Schweden und den USA.

Das langfristige Ziel ist es, durch die Untersuchung dieser historischen Algen Rückschlüsse auf die Anpassungsfähigkeit von Mikroorganismen an Umweltveränderungen zu ziehen. Dieser Blick in die Vergangenheit soll helfen, zukünftige Klimawandelfolgen in der Ostsee besser abzuschätzen. Mehr Information: https://phytoark.com


| | | |

Kommentieren Sie den Artikel

Name
E-Mail
(wird nicht veröffentlicht)
Kommentar
Sicherheitscode

Ich willige ein, dass DER WARNEMÜNDER die von mir überreichten Informationen und Kontaktdaten dazu verwendet um mit mir anlässlich meiner Kontaktaufnahme in Verbindung zu treten, hierüber zu kommunizieren und meine Anfrage abzuwickeln. Dies gilt insbesondere für die Verwendung der E-Mail-Adresse zum vorgenannten Zweck. Die Datenschutzerklärung kann hier eingesehen werden.*


|