Unser Lesetipp nicht nur für lange Winterabende


24. Januar 2020

Einem breiten Publikum ist Christian Ahnsehl als Musiker und Gitarrist der Andreas-Pasternack-Band bekannt. Seiner Musik will der Künstler auch künftig die Treue halten, doch 30 Jahre nach der politischen Wende in Deutschland beschreitet der Rostocker neue Wege und schreibt. Sein erster Roman „Der Ofensetzer“ ist im Grünberg Verlag erschienen und hat bei der Leserschaft schon vor der offiziellen Buchpräsentation für gehöriges Aufsehen gesorgt. Es geht um ein ungewöhnliches, weil wenig bekanntes Kapitel der jüngeren (ost)deutschen Vergangenheit. Schauplatz ist ein DDR-Neubaugebiet im Jahre 1986. Erzählt wird die Geschichte des 15-jährigen Tom Gradow, der von Stasi-Hauptmann Lorenz als Spitzel geworben und auf einen gewissen Manfred Heiliger – den Ofensetzer – angesetzt wird. Zunächst fühlt sich Tom wie im Rausch, doch schon bald gerät er in einen Strudel aus Angst und Verrat. Verzweifelt will er sich von der Stasi trennen, aber Lorenz ist wie besessen von Heiliger…

Schon die Ankündigung liest sich spannend und noch dazu ist die Geschichte autobiografisch inspiriert, denn der junge Christian Ahnsehl hat selbst eine, wie er sagt „krasse Zeit“, durchlebt: „Ich war damals 15. Neun Monate später bin ich meinem Stasi-Mann aus dem Auto gesprungen.“ Die Story bleibt packend bis zur letzten Seite, ist außerordentlich plastisch erzählt und in einer klaren, kräftigen Sprache geschrieben: Man riecht das Butterbrotpapier im Klassenzimmer und hört die Fahnenmasten auf dem Appellplatz quietschen. Da findet sich jeder wieder, der die DDR noch bewusst erlebt hat. Außerdem erfährt man viel über das Thema jugendlicher Stasi-IM und darüber, wie die Stasi junge Menschen emotional für sich eingenommen hat, ihnen Selbstbestätigung und Anerkennung verschafft hat: Tom ist 15, und plötzlich sitzt er in einem Wartburg und raucht mit der Stasi eine Zigarette! Es gibt aber auch etliche andere Perspektiven, z.B. die von Toms Vater, der einigermaßen hilflos ist, denn er ahnt, dass Tom etwas mit der Stasi hat, kommt aber nicht an seinen Sohn heran. Der Erzählstrang Lorenz und Heiliger wiederum wächst sich fast zu einem Thriller aus – und wer dieser Heiliger in Wirklichkeit war, bleibt am Ende offen.

„Jugendliche, manche von ihnen fast noch Kinder, die von der Stasi für Spitzeldienste missbraucht wurden: Spannend und authentisch schreibt Christian Ahnsehl über ein bislang wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte“, schreibt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk über das Erstlingswerk Ahnsehls. Ob es weitere Werke aus seiner Feder geben? Man weiß es noch nicht: „Es war eine tolle Erfahrung, verbunden aber auch mit sehr viel Arbeit“, bekennt der 49-jährige Vater von zwei Söhnen.  

Eine erste Lesung bestreitet er am Dienstag, 4. Februar um 20.00 Uhr, im Literaturhaus Rostock im Peter-Weiss-Haus, Doberaner Straße. Der Eintritt kostet 6 Euro und 4 Euro ermäßigt. Tickets gibt es an der Abendkasse und bei der Anderen Buchhandlung, die auch den Vertrieb des Romans übernommen hat.

Das Buch zum Preis von 19,80 Euro ist vor drei Wochen erschienen, liegt in Rostock in der Anderen Buchhandlung, bei Thalia und Hugendubel aus und ist in jeder weiteren Buchhandlung zu bestellen. Auch bei Amazon ist „Der Ofensetzer“ zu haben.

1970 in Greifswald geboren wuchs Christian Ahnsehl im Rostocker Neubaugebiet Lütten Klein auf. Nach dem Besuch der POS absolvierte er eine Maurerlehre und arbeitete bis 1989 als Hausmeister und Lagerarbeiter. Danach fuhr er als Musiker auf Kreuzfahrtschiffen zur See, machte nebenbei das Abitur und studierte anschließend Geschichte, Politik und Philosophie. Weil ihn die DDR nie losließ, begann er, über sie zu schreiben. Zugleich ist Christian Ahnsehl einer der Protagonisten der NDR-Dokumentation „Die Stasi im Kinderzimmer“ (2019, Regie Kathrin Matern).

Foto: Holger Martens


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