Spuren der Eiszeitjäger in der Ostsee entdeckt


13. Februar 2024

Im Jahr 2021 stießen Geologen auf eine außergewöhnliche Entdeckung: eine fast einen Kilometer lange Steinreihe am Grund der Mecklenburger Bucht. Etwa zehn Kilometer vor Rerik, in einer Wassertiefe von 21 Metern, erstrecken sich rund 1.500 Steine in so regelmäßiger Anordnung, dass eine natürliche Entstehung unwahrscheinlich erscheint. Ein interdisziplinäres Team von Forschern kommt nun zu dem Schluss, dass diese Struktur vor etwa 11.000 Jahren von Eiszeitjägern errichtet wurde, um Rentiere zu jagen. Es handelt sich um die erste Entdeckung einer solchen Jagdstruktur im Ostseeraum, deren Ergebnisse die Gruppe nun in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorstellt.

Ursprünglich beabsichtigte ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Mangankrusten an einem Mergelrücken zu untersuchen. Dabei stießen sie auf die 970 Meter lange, regelmäßige Steinstruktur, bestehend aus bis zu 1.500 Steinen in Tennis- bis Fußballgröße, die einige große Findlinge zu einem bis zu ein Meter hohen Wall verbanden. Die Forscher meldeten ihre Entdeckung dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD M-V), das die weiteren Untersuchungen koordinierte.

Die Fundstelle liegt am südwestlichen Rand des Mergelrückens, parallel zu einer Niederung, vermutlich einem ehemaligen See oder Moor. Die Ostsee ist heute an dieser Stelle 21 Meter tief. Der Steinwall muss also vor dem starken Anstieg des Wasserspiegels nach dem Ende der letzten Eiszeit errichtet worden sein, der zuletzt vor etwa 8.500 Jahren stattfand und große Teile der damals begehbaren Landschaft überschwemmte.

Forscher verschiedener Einrichtungen, darunter das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der CAU-Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science, die Universität Rostock und das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig, haben mit modernen geophysikalischen Methoden ein detailliertes 3D-Modell der Mauer erstellt und die Struktur des umgebenden Untergrundes rekonstruiert. Untersuchungen durch Forschungstaucher der Universitäten Rostock und Kiel ergänzten das Bild, um ein genaues Bild der Situation am Meeresgrund zu erhalten.

„Die Untersuchungen haben bestätigt, dass eine natürliche Entstehung ebenso unwahrscheinlich ist wie eine Errichtung in moderner Zeit, etwa durch Baumaßnahmen zur Verlegung von Seekabeln oder Steinfischerei. Dafür sind die Steine zu planvoll und regelmäßig angeordnet“, erläutert Jacob Geersen, Erstautor der nun in der renommierten Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Studie. Er erklärt, dass die Steinmauer nur in der Zeit nach dem Ende der letzten Eiszeit, als die Landschaft noch nicht von der Ostsee überflutet war, errichtet worden sein kann. Marcel Bradtmöller von der Universität Rostock erläutert dazu, dass die Jagdtechnik, die mit dieser Struktur in Verbindung gebracht wird, auch in anderen Teilen der Welt nachgewiesen wurde. So haben US-amerikanische Archäologen im Lake Huron (Michigan) in 30 Metern Wassertiefe Steinmauern gefunden, die nachweislich für die Treibjagd von Karibus, dem Nordamerikanischen Pendant des Rentieres, errichtet wurden. Die Steinmauern im Lake Huron und in der Mecklenburger Bucht weisen große Ähnlichkeiten auf.

Da vor etwa 11.000 Jahren die letzten Rentiere aus der Region verschwanden, als das Klima wärmer wurde und sich Wälder ausbreiteten, dürfte die Steinmauer nicht nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sein. Die Steinmauer wäre damit das älteste jemals in der Ostsee entdeckte menschliche Bauwerk.

Weitere Untersuchungen sollen die Steinmauer und den umgebenden Meeresboden genauer unter die Lupe nehmen. Hinweise deuten darauf hin, dass es möglicherweise weitere Steinwälle in der Mecklenburger Bucht gibt, die systematisch erkundet werden sollen. Auch die Datierung der Steinmauer mithilfe des Lumineszenzverfahrens sowie eine detaillierte Rekonstruktion der umgebenden Landschaft sind geplant. Diese Untersuchungen können einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der frühen steinzeitlichen Wildbeutergruppen leisten und helfen, ihre Lebensweise, Organisation und Jagdmethoden besser zu verstehen.


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