Radschnellweg nach Warnemünde: Zwischen Mobilitätswende und Staubedenken


15. September 2025

Seit Jahren arbeitet die Hansestadt Rostock an einem ehrgeizigen Ziel: ein zusammenhängendes Radschnellwegenetz, das die Stadtteile sicher, komfortabel und klimafreundlich verbindet. Doch wie so oft, wenn es an die konkrete Umsetzung geht, prallen Visionen, Zahlen und Alltagsrealität aufeinander – zuletzt in der Ortsbeiratssitzung Warnemünde/Diedrichshagen. Dort stellten Heiko Tiburtius und Verkehrsplaner Michael Loba vom Tiefbauamt die Ergebnisse der Vorplanung für den nördlichsten Abschnitt zwischen Warnemünde und Lichtenhagen vor.

Viele Varianten, ein Favorit

Die Planer hatten zahlreiche Szenarien geprüft – darunter den Beibehalt von vier Fahrstreifen mit westlichem Anbau des Radwegs, eine Reduzierung auf jeweils eine Spur je Richtung oder auch die Verkleinerung des Mittelstreifens. Alle Varianten wurden in Simulationen getestet, Kosten und Leistungsfähigkeit gegeneinander abgewogen. Am Ende blieb eine Vorzugsvariante: Der Radschnellweg soll westlich der B103 verlaufen, vier Meter breit, getrennt vom Fußverkehr und abgeschirmt durch Hecke und Abstand. Stadtauswärts reduziert sich die Fahrbahn bis vor die Kreuzung Lichtenhagen künftig auf einen Fahrstreifen, stadteinwärts bleiben zwei erhalten. Der Mittelstreifen entfällt, die zulässige Geschwindigkeit sinkt auf 70 km/h.

Die Ziele sind hoch gesteckt

„Wir möchten für unsere Kinder und Enkelkinder eine gute Infrastruktur schaffen und gleichzeitig den Klimaschutz voranbringen“, betonte Michael Loba in der Sitzung. Der Plan sei keine Momentaufnahme, sondern das Ergebnis jahrelanger Untersuchungen – von der Potenzialanalyse 2016 über den Aktionsplan 2017 bis hin zur aktuellen Vorplanung. „Wenn wir hier nicht mutig sind, müssen wir uns fragen, wie ernst wir es mit der Verkehrswende nehmen.“

Fördermittel als Türöffner

Seit 2021 liegt Rostock ein positiver Fördermittelbescheid vor. Bis zu 75 Prozent der Kosten für Planung und Bau übernimmt der Bund. Für den Warnemünder Abschnitt werden nach aktueller Schätzung 4,5 Millionen Euro Baukosten veranschlagt, davon rund 1,9 Millionen Euro förderfähig. Die restlichen 2,6 Millionen Euro müsste die Stadt über mehrere Jahre hinweg im Haushalt des Tiefbauamtes einplanen. „Wenn wir das Projekt ablehnen, verzichten wir auch auf diese Mittel – und werden womöglich in den nächsten Jahren gar nichts bewegen können“, warnte Tiefbauamtsleiter Tiburtius.

Skepsis im Ortsbeirat

Doch der Widerstand ist groß. Viele Beiratsmitglieder wollen sich nicht von der vierspurigen Stadtautobahn verabschieden. Der SPD-Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 17. September fordert ausdrücklich, die Umwidmung einer Spur zu verhindern – aus Angst vor Staus an Wochenenden oder nach Großveranstaltungen. Auch andere Stimmen äußerten scharfe Kritik: Thomas Scheider (BSW) sprach gar von einem Projekt „für das Schwarzbuch der Steuerzahler“.

Hinzu kommt der Änderungsantrag des Ortsbeirates Warnemünde/Diedrichshagen selbst. Darin bekennen sich die Mitglieder zwar grundsätzlich zu einer Modernisierung der Radwege, stellen jedoch klar: „Dies darf nicht zu Lasten der bestehenden Infrastruktur der Stadtautobahn geschehen.“ Stattdessen solle der Eigenanteil der Stadt von rund 2,7 Millionen Euro in die Sanierung der vorhandenen Wege fließen. Besonders deutlich wird die Haltung in den Zahlen: Das tägliche Verhältnis von rund 1.800 Radfahrern zu mehr als 22.000 Kraftfahrzeugen sei aus Sicht des Gremiums ein klarer Grund, die vierspurige Lösung zu erhalten.

Andere setzen auf Gelassenheit. Hans-Joachim Wude erinnerte an den Fernwärmebau, bei dem über zwei Jahre nur eine Spur stadtauswärts zur Verfügung stand – ohne größere Probleme. Radverkehrsexperte Per Grohmann verwies nicht nur auf Beispiele aus Kopenhagen und Hamburg: „Wir müssen endlich aus dem Denken der 70er-Jahre raus. Radverkehr hat Zukunft.“ Zusätzlich brachte er die Idee einer Verkehrsbeeinflussungsanlage ins Spiel – ähnlich wie auf der Berliner Heerstraße. Dort können Fahrspuren per LED-Anzeige flexibel zu- oder abgeschaltet werden. „Das wäre auch für Warnemünde eine smarte Lösung, die je nach Verkehrsaufkommen Spielräume lässt.“

Zahlen gegen Bauchgefühl

Tiefbauamtsleiter Heiko Tiburtius verteidigte die Planungen mit Verweis auf Daten und Standards: „Wir glauben, dass wir mit den Berechnungsmethodiken, die uns vorgegeben sind, einen leistungsfähigen Nachweis erbracht haben. Ich möchte dafür werben, dass man uns glaubt, wenn wir mit Zahlen arbeiten.“ Zugleich betonte er: „Über eine Ertüchtigung der vorhandenen Radwege wird man aus meiner Sicht gar nicht nachdenken können, denn dafür stehen keine Fördermittel zur Verfügung – und die Stadtkassen sind leer.“

Wie geht es weiter?

Noch in diesem Jahr soll eine EU-weite Ausschreibung für die nächsten Planungsphasen erfolgen. Bis 2031 könnte der Abschnitt fertiggestellt sein – sofern die Bürgerschaft am 17. September nicht das Ruder herumreißt. Ob der politische Wille für die Vorzugsvariante reicht oder ob Warnemünde am Ende doch an seinen vier Fahrstreifen festhält, bleibt offen.

Für Tiburtius ist klar: „Wenn wir das hier nicht hinbekommen, müssen wir uns auf andere Streckenabschnitte konzentrieren. Aber es wäre ein Rückschritt – nicht nur für den Radverkehr, sondern für die ganze Stadt.“


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D. Weber - 16.09.2025 um 13:20 Uhr
Die Idee begrüße ich, jedoch sollten die Planer endlich mutiger sein. Warum wird die "Stadtautobahn" bis zur Abfahrt Kritzmow nicht zweispurig, mit einer Bedarfsspur für die Entlastung bei viel Verkehr (Auf Rügen funktioniert das propblemlos) und einer durchgehenden Fahrradspur geplant und zeitnah gebaut?

Viele Grüße
Dieter Weber
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