Neues Entwicklungskonzept für Werftbecken vorgestellt


28. September 2023

Der ursprüngliche Plan, im alten Warnemünder Werftbecken die Kreuzfahrt voranzubringen, habe sich zerschlagen – nicht zuletzt durch Corona und den Krieg in der Ukraine, berichtete Gunnar Abend in der jüngsten Ortsbeiratssitzung. Der Abteilungsleiter Hafenbau und -bewirtschaftung im Hafen- und Seemannsamt der Stadt Rostock sprach über die Neuausrichtung der Planungen, ein überabeitetes Entwicklungskonzept, angepasst an die Energiewende. Die Umgestaltung des Werftbeckens zu einem maritimen Gewerbepark für nachhaltige Energietechnologien entspreche einem von Bund und Land aufgelegten Sonderprogramm, dem nur wenige Vorhaben zugeordnet werden können. Dementsprechend großzügig falle die Förderung aus (DWM berichtete).

Und damit nicht genug, denn in dem Zuge kann die Stadt Rostock als Grundstückseigentümerin auch ihren Verpflichtungen nachkommen: „Angesichts der intensiven industriellen Vornutzung müssen wir die Altlastensanierung voranbringen. Das Hafenbassin wurde im späten 19. Jahrhundert erstmalig erwähnt und damals hat man sich wenig Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn man was reinwirft“, sagt Gunnar Abend. Altlasten gibt es im Boden, der das Trinkwasser gefährdet, aber eben auch als Ablagerungen im eigentlichen Gewässer. „Doch bevor wir irgendwas tun können, müssen wir die alten Schrottimmobilien zurückbauen. Das betrifft auch die blau-weiße Halle 620, leergezogen von den MV Werften. Zu 50 bis 60 Prozent wurden hier Altlasten sondiert“, führt Abend aus.

Zielstellung ist schlussendlich die Schaffung maritimer Gewerbeflächen mit Zugang zur Hafeninfrastruktur, ausgerichtet auf Unternehmen der Offshore Windkraft und als Forschungsstandort. „Große Lager müssen errichtet werden und das ziemlich schnell.“ Konkrete Ansiedlungszusagen des Netzbetreibers 50Hertz und des Fraunhofer-Instituts für Großstrukturen in der Produktionstechnik (IGP) gibt es bereits. Die Erbbaupachtverhandlungen laufen. Mit drei weiteren ernstzunehmenden Interessenten sei man in Verhandlungen.

Um mehr Logistikfläche zu gewinnen soll das Werftbecken verkürzt, aufgeweitet und begradigt werden. Und da kommt die Altlastensanierung ins Spiel: In eine Art „Kasten“ aus Spundwänden werden etwa 65 000 Kubikmeter ausgebaggerte, konterminierte Mudde umgelagert. Oben drauf kommt Sand und der daraus resultierende Druck presst nach und nach das Wasser aus dem Sediment. „Nach einer gewissen Konsolidierung – wir gehen von mindestens 18 Monaten aus – entsteht hier eine neue Fläche. Diese Zeit sollten wir unbedingt abwarten, umso weniger Nacharbeiten gibt es im Anschluss“, erläutert Gunnar Abend. Weitere 80 000 Kubikmeter nicht konterminierten Geschiebemergels würden in der Ostsee verklappt.

Etwa acht Hektar Gewerbefläche werden geschaffen, wovon 3,5 Hektar bereits an die genannten Firmen vergeben sind. Der Liegeplatz P11 mit 340 Metern Länge wird außerordentlich leistungsfähig und für Offshore Windkraft hinreichend tragfähig. Die Liegeplätze P9 mit 115 und P10 mit 110 Metern Länge eignen sich für Transportschlepper und sonstige maritime Dienstleister.

In der ersten Ausbaustufe soll das Werftbecken auf 8,30 Meter vertieft werden. Das entspreche den aktuellen Kabellegern, so Abend. Es gibt einen Puffer, um irgendwann einmal auf 10,50 Meter vertiefen zu können. Die Kaianlage am Liegeplatz 11 wird ungefähr 30 Meter breit sein. „Diese Fläche wird auch benötigt, denn die Kabelleger haben vier bis sechs Kilometer Kabel an Bord und brauchen viel Platz“, verdeutlicht der Hafenbauer. Auch bleibe die Kaianlage öffentlich für Besucher und Veranstaltungen. Ähnlich wie bei den Liegeplätzen 1 bis 8, denn sie würde nicht ständig genutzt. „Finden An- und Abtransporte statt, muss abgesperrt werden.“ Die Betriebsflächen der angesiedelten Unternehmen sind dagegen eingezäunt.

Die Kosten beziffert Gunnar Abend mit etwa 91,5 Millionen Euro netto, wobei das meiste Geld in die land- und wasserseitige Altlastensanierung fließt. Die Landesregierung hat eine 75-prozentige Förderung zugesagt. Die Hafeninfrastruktur soll bis 2028 stehen. Eingeschränkt nutzbar für landseitige Ansiedlungen sei der maritime Gewerbepark ab Ende 2025.

„Die Energiewende muss zeitnah gewuppt werden und ohne solche Infrastrukturen wird uns das hier an der Ostsee schwerfallen“, resümiert der Abteilungsleiter. Für MV seien Ansiedlungen in Warnemünde mit kurzen Verkehrswegen auf die Ostsee eine große Chance. „An dieser Stelle ziehen Land und Stadt Rostock an einem Strang. Wir als Grundstückseigentümer hätten allein für die Altlastensanierung über 50 Millionen Euro berappen müssen.“

„Man kann nur die Daumen halten, dass das alles so klappt vor allem in dem sehr anspruchsvollen Zeitfenster“, sagt Alexander Prechtel vom Warnemünder Bauausschuss und hinterfragt gleichzeitig, ob eine Mischnutzung denkbar ist. Etwa dann, wenn ein Kreuzfahrtschiff wegen technischer Probleme oder schlechtem Wetter außerplanmäßig festmachen müsse. Aus Sicht von Gunnar Abend dürfe das ein außergewöhnliches Ereignis sein, denn es entspreche nicht dem Schwerpunkt des Gewerbegebietes.

Für den Verkehrsausschuss spricht Hans-Joachim Wude, der selbst jahrelang auf der Warnowwerft beschäftigt war. Grundsätzlich begrüßt er, dass das Gelände hergerichtet wird. Allerdings stellt sich für ihn die Frage, über welche Straßen der neue Hafen angefahren werden soll, denn das Nordkreuz sei für Schwerlasttransporte nicht geeignet. „Seekabel werden auf dem Wasserweg angeliefert“, räumt Hafenexperte Gunnar Abend abschließend die Bedenken aus.

Im Jahr 2016 hatte die Stadt Rostock das alte Werftbecken erworben. Schon im Jahr darauf gab es einen Bürgerschaftsbeschluss zur Schaffung eines Mehrzweckhafen. Bis 2019 gingen alle Planungen in diese Richtung und sahen unter anderem einen Großschiffsliegeplatz mit 400 Metern Länge für Kreuzfahrtschiffe vor. Corona veränderte alles. 2020 wurde die Planfeststellung zurückgezogen. Seit 2022 wird an der Überarbeitung des Entwicklungskonzeptes im Hinblick auf die Energiewende gearbeitet.


| | | |

Kommentieren Sie den Artikel

Name
E-Mail
(wird nicht veröffentlicht)
Kommentar
Sicherheitscode

Ich willige ein, dass DER WARNEMÜNDER die von mir überreichten Informationen und Kontaktdaten dazu verwendet um mit mir anlässlich meiner Kontaktaufnahme in Verbindung zu treten, hierüber zu kommunizieren und meine Anfrage abzuwickeln. Dies gilt insbesondere für die Verwendung der E-Mail-Adresse zum vorgenannten Zweck. Die Datenschutzerklärung kann hier eingesehen werden.*


|