Paul Hildebrand ist 37 Jahre alt, aufgewachsen in Rostock und Warnemünde – seit Kurzem Besitzer eines 17 Meter langen Holzkutters, den er für einen symbolischen Euro übernommen hat. Die Storkow, gebaut 1949 in Greifswald, gehört zu einer der größten Schiffsserien Deutschlands und war über Jahrzehnte prägend für die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern. Heute jedoch steht sie kurz davor, endgültig im Rostocker Stadthafen zu verrotten.
Hildebrand, gelernter Kfz-Mechatroniker und Berufskraftfahrer, hat sich trotzdem bewusst für diese Herausforderung entschieden. „Ich habe kein Geld, aber ich kann Zeit und Herzblut investieren“, sagt er. Seit 15 Jahren beobachtet er, wie die traditionellen Ostseekutter sukzessive verschwinden. Von einst 136 in Mecklenburg-Vorpommern in Dienst gestellten Schiffen überlebten nur 50 die Wende – und heute sind gerade einmal noch zehn übrig, davon drei fahrbereit.
Die Storkow hat eine lange Reise hinter sich.
Nach ihrem Bau 1949 auf der Greifswalder Werft Richard Buchholz fuhr sie zunächst ab 1950 von Sassnitz aus und wurde schließlich 1959 nach Karlshagen auf Usedom versetzt. Bis zur Wende blieb sie im aktiven Fischereieinsatz.
1994 gelangte der Kutter nach Rostock, wechselte mehrfach den Besitzer und diente ab 2000 fast zwei Jahrzehnte lang für Angelfahrten ab Schmarl. Doch nach 2018 wurde es still um das Schiff. Der letzte Besitzer gab auf, die Storkow verfiel – und wuchs sprichwörtlich zu.
Heute dringt Wasser in den Rumpf ein. Besonders problematisch: Die schadhafte Stelle liegt vorn, hinter alten Sperrholzplatten, nur schwer zugänglich. „Ich wollte den Kutter auf eine Werft bringen, um die Schäden genau zu untersuchen“, sagt Hildebrand. „Aber keine Werft hat Kapazitäten für Low Budget.“
Der Liegeplatz im Rostocker Stadthafen ist nur noch bis Ende des Jahres bezahlt. Ab dem 1. Januar 2026 muss die Storkow weg – auch, weil die Stadt eine teure Bergungskostenversicherung fordert, die für Hildebrand unerschwinglich ist.
Was er jetzt dringend braucht: eine befestigte Fläche in Hafennähe, um am Schiff arbeiten zu können. „Es muss nicht immer Geld sein. Eine Fläche wäre schon ein Riesenschritt“, sagt er.
Parallel plant er eine eigene Webseite und eine Crowdfunding-Kampagne. Auch die Deutsche Stiftung Maritimes Erbe, die Traditionsschiffe fördert, hat er bereits im Blick. Doch ohne breite gesellschaftliche Unterstützung wird es eng.
Wenn die Storkow eines Tages wieder schwimmt, soll sie an den Alten Strom zurückkehren – dorthin, wo früher zahlreiche Kutter das berühmte Postkartenidyll von Warnemünde prägten. Heute liegen dort nur noch wenige, und für Paul Hildebrand steht fest: Ein Fischkutter gehört an die Küste, nicht in den Rostocker Stadthafen. Zwar gebe es im Stadthafen durchaus Bereiche, an denen historische Schiffe gut zur Geltung kämen, doch der aktuelle Liegeplatz zähle nicht dazu. Vor allem aber sei es angesichts der immer dünner werdenden Kutterreihen in Warnemünde blanke Verschwendung, die Storkow dort liegenzulassen, statt ihr wieder einen Platz im maritimen Herzen des Ostseebades zu geben.
Seine Idee: Ausflugs- und Charterfahrten, ein kleines Bordmuseum, der Verkauf von Fischbrötchen zur Deckung der laufenden Kosten – ein lebendiges Traditionsprojekt für Warnemünde.
Der Kutter Storkow hat sogar einen gewissen Prominentenstatus: Er zierte einst das Titelblatt des „Tidingsbringers“ und war in der DDR ein beliebtes Postkartenmotiv. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.
Seit September verbringt Hildebrand fast jede freie Minute auf dem Kutter. Er räumt auf, sortiert altes Werkzeug, entsorgt verfaulte Matratzen und verschimmelte Verkleidungen. „Ich bin noch längst nicht fertig.“
Trotz aller Widrigkeiten bleibt er optimistisch. „Ich möchte nicht derjenige sein, der nach 75 Jahren zusehen muss, wie die Storkow untergeht“, sagt er.
Ob das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab – vor allem aber davon, ob sich Menschen finden, die seine Leidenschaft teilen.
Denn eines ist sicher: Ohne Unterstützung aus der breiten Gesellschaft wird auch dieser Kutter bald Geschichte sein.
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