Mit seinem jüngsten Werk „Ein Leben als Drahtseilakt“ präsentiert der aus Warnemünde stammende Fotograf Siegfried Wittenburg eine beeindruckende Zeitreise. Der Bild-Text-Band, erschienen im Mitteldeutschen Verlag, dokumentiert die Jahre 1980 bis 1996 – eine Zeit der Umbrüche, die Wittenburg in seinen Bildern mit unvergleichlicher Präzision und Tiefe festhielt.
Siegfried Wittenburg hat mit seiner Kamera das Leben in der DDR porträtiert, wie es wirklich war: fernab von geschönten Propagandaaufnahmen. Seine Fotografien sind stille, aber eindringliche Zeugnisse einer Gesellschaft, die zwischen Idealismus und Realität gefangen war. Der Fotograf nahm den Begriff des „Sozialistischen Realismus“ wörtlich und hielt den Alltag fest – von den hochgelobten Plattenbausiedlungen bis hin zu den oft vernachlässigten historischen Stadtvierteln.
Diese kompromisslose Ehrlichkeit machte ihn zu einer umstrittenen Figur: Während Systemkritiker seine Werke bewunderten, stießen sie bei Systemtreuen auf Ablehnung. Doch Wittenburg ließ sich nicht beirren, auch wenn sein Leben dadurch zum sprichwörtlichen Drahtseilakt wurde – ein Balanceakt, der ihm nach der Wende durch Einblicke in seine Stasi-Akte bewusst wurde.
In „Ein Leben als Drahtseilakt“ verbindet Wittenburg seine beeindruckenden Schwarz-Weiß-Fotografien mit persönlichen Texten. Er schildert eindrücklich die erlebte Unfreiheit der DDR, den subtilen Widerstand gegen die allgegenwärtige Zensur, die euphorische Zeit der Revolution und den schwierigen Übergang in eine demokratische Gesellschaft.
Der Bildband ist nicht nur eine Dokumentation der Vergangenheit, sondern auch ein Appell an die Gegenwart, die Freiheit und Demokratie bewusst zu leben und zu schützen.
Siegfried Wittenburg, 1952 in Warnemünde geboren, ist ein Autodidakt, der durch seine Leidenschaft zur Fotografie und seine unverblümte Sicht auf die Realität zu einem Chronisten der DDR-Geschichte wurde. Trotz des Widerstands, den er erlebte – etwa seiner Entlassung 1986 als Leiter des Jugend-Fotoklubs „Konkret“, weil er sich einer Zensuraufforderung widersetzte – blieb er seiner Vision treu.
Nach der Wende folgten zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, bei denen Wittenburgs Arbeiten als unverzichtbare Quelle der Zeitgeschichte anerkannt wurden. Heute lebt er als Künstler, Buchautor und Referent für politische Bildung und bleibt auch in der Demokratie ein kritischer Beobachter seiner Zeit.
Mit „Ein Leben als Drahtseilakt“ schenkt Siegfried Wittenburg nicht nur seiner Heimat Warnemünde und Rostock, sondern ganz Deutschland ein einzigartiges Werk, das Geschichte greifbar macht. Der Bildband lädt dazu ein, innezuhalten, sich zu erinnern und aus der Vergangenheit zu lernen – für eine Zukunft, die den Wert der Freiheit niemals aus den Augen verliert.
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