Diedrichshagen: Wiro will Flächen im Landschaftsschutzgebiet aufkaufen


14. August 2020

Annähernd drei Jahre ist es her, dass die Rostocker Bürgerschaft mehrheitlich beschlossen hatte, das Landschaftsschutzgebiet Diedrichshäger Land (LSG) als solches beizubehalten. Eine Fläche von 35 Hektar im LSG sollte seinerzeit mit Ein- und Mehrfamilienhäusern – teils sogar mehrgeschossig – bebaut werden. Es formierte sich eine starke Bürgerinitiative, die das Vorhaben gemeinsam mit dem Ortsbeirat verhinderte.

Wie sich bei der Ortsbeiratssitzung am Dienstagabend herausstellte, steht das Landschaftsschutzgebiet jetzt wieder zur Disposition und das gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen erklärte der Vorsitzende, Werner Fischer, aus den Bürgerschaftsfraktionen gehört zu haben, dass die Wiro als kommunales Wohnungsunternehmen gedenkt die Flächen aufzukaufen. Zum anderen will Norma in Diedrichshagen noch immer einen Versorgungsmarkt etablieren. Der Standort wird nach wie vor konträr diskutiert: Am Kreisel im Landschaftsschutzgebiet oder doch lieber links am Ortsausgang in Richtung Elmenhorst. 

Der ebenfalls zur Sitzung geladene Oberbürgermeister, Claus Ruhe Madsen (OB), bewertet den Flächenerwerb durch die Wiro generell positiv. Es gehe „nur“ um eine Flächenreservierung, konkret geplant sei nichts, aber man müsse auch an die Zukunft denken: „Für mein Empfinden ist es absolut richtig, das Grundstück zu sichern. Vor 25 Jahren hat eine weitsichtige Stadtverwaltung in Biestow und anderen Gebieten Flächen aufgekauft, einfach um sie zu haben. Aus meiner Sicht gehört es auch zu den Aufgaben einer kommunalen Gesellschaft, wenn sich die Möglichkeit bietet, ein solch riesiges Grundstück zu erwerben, dass sie das dann auch tut“, argumentierte der OB. Die Wiro sei eine städtische Tochter mit gewählten Bürgervertretern im Aufsichtsrat. Nur so habe man eine rechtliche Handhabe, Einfluss zu nehmen. Etwas, was man sich heute noch gar nicht vorstellen könnte, würde in 20 bis 30 Jahren vielleicht ganz anders aussehen. „Ich glaube, dass für dieses Gebiet sonst niemals Ruhe einkehren wird, denn private Investoren haben private Interessen“, so Madsen. Der Prüfauftrag laufe bereits und ein Kaufangebot der Wiro gibt es offenbar auch schon. Nach deren Aussage würde sich der hohe Kaufpreis wegen des derzeit niedrigen Zinssatzes und zu erwartenden Einnahmen aus den Bestands-Windkraftanlagen sowie Verpachtung der Böden schnell amortisieren.

Vertrauen konnte er damit bei den anwesenden Warnemündern nicht aufbauen. Viele erinnerten sich an dieselbe Argumentation seines Amtsvorgängers, als es um den Erwerb der Mittelmole ging. Was daraus wurde ist bekannt. Völlig zu Recht stellt sich der Ortsbeirat deshalb auch die Frage, ob es für die Wiro angesichts des Widerstands überhaupt sinnvoll sei, sich dort nochmals zu engagieren. Seine Skepsis äußerte Beiratsmitglied Stephan Porst, der den OB in diesem Zuge an sein Wahlversprechen erinnerte, das LSG zu erhalten und nicht zu bebauen: „Ich frage mich, was die Wiro mit den Grundstücken machen will, wenn es eine perspektivische Flächenvorsorge ist? Eine Finanzierung des Geschäftes über Windkraftanlagen kann ich mir nicht vorstellen, denn diese gelten, sobald sie aus der Förderung fallen als unwirtschaftlich.“ Der Diedrichshäger, Hans-Joachim Wude, kommt aus der Windkraftbranche und blies in dasselbe Horn: „Die dort befindlichen Anlagen haben eine sehr geringe Leistung und sind zudem veraltet. Ich könnte mir denken, dass sie kurzfristig abgebaut werden.“ Eine Verlängerung der Genehmigung über die üblichen 25 Jahre hinaus im Landschaftsschutzgebiet ist für Wude kaum denkbar. Genau wie Mathias Ehlers vom Umweltausschuss könnte er sich das Areal als grüne Ausgleichsfläche für das Anpflanzen von Bäumen dagegen sehr gut vorstellen.

Um die Wirtschaftlichkeitsberechnung sorgt sich Madsen nicht, denn die Wiro wird einen Finanzierungsplan vorlegen. Und noch etwas machte der OB auf Nachfrage deutlich: Im Flächennutzungsplan werden die Flächen zunächst keine Berücksichtigung finden.

Was den Norma-Markt angeht, bezog der Leiter des Stadtplanungsamtes, Ralph Müller, Stellung. Er sprach von einer komplizierten Situation, denn dort, wo eine Nahversorgung eigentlich hingehöre – ins Ortszentrum – sei kein Platz. Er präferiere deshalb nach wie vor eine Fläche auf der gegenüberliegenden Seite in Richtung Osten, die sich allerdings im Landschaftsschutzgebiet befindet. Für ihn ist es sogar denkbar, ein übergeordnetes öffentliches Interesse geltend zu machen, etwa wenn man dort noch weitere Funktionen, wie eine Gemeindeschwester oder Kindereinrichtung unterbringe. Mit der Leiterin der unteren Naturschutzbehörde, Ute Fischer-Gäde, habe er sich dazu schon verständigt: „Andes als im Wohnungsbau kann sie sich in diesem Fall eine Ausnahme vorstellen.“ Bezüglich des anderen Standorts am Ortsausgang sieht der Stadtplaner Probleme mit der Raumordnung, wobei die zuständige Behörde auch hier bereits eine Ausnahme angekündigt hat. „Bis Ende des Jahres wollen wir dem Ortsbeirat gemeinsam mit Norma eine Matrix präsentieren“, kündigte Ralph Müller an.

Der Warnemünder Bauausschuss empfahl dem Ortsbeirat zu beschließen, darauf Einfluss zu nehmen, dass es auf Grundlage der bisherigen Beschlusslage aktuell zu keinem Verkauf der im LSG liegenden Grundstücksflächen durch die Wiro kommt. Darüber hinaus möge Norma zur Errichtung eines Verbrauchermarktes ausschließlich die Grundstücksfläche „am, von Warnemünde aus gesehen südlichen Teil des zweiten Kreisels, selbstverständlich mit den entsprechenden planungsrechtlichen Grundlagen“ angeboten werden. Der Ortsbeirat votierte für die Beschlussvorlage. In beiden Fällen hat die Bürgerschaft das letzte Wort.

Foto: Taslair


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