Die Poetik der Gebäude – neue Ausstellung im Edvard-Munch-Haus


24. Juni 2024

Gebäude tragen eine eigene Poetik in sich. Sie sind Orte, an denen Welten entstehen, sanft ineinander übergehen oder abrupt mutieren. Sie erschaffen und gestalten Welten, nehmen an ihnen teil, verbinden und ermöglichen, während sie gleichzeitig andere unterdrücken.

Der britische Maler, Schriftsteller und Kunsttheoretiker John Ruskin erkannte diese kosmopoetische Eigenschaft von Gebäuden als einer der ersten. Er verglich ihr Leben mit dem von Flechten: symbiotische Lebensformen, die sich in einem ständigen Zyklus zwischen Wachstum und Verfall befinden, Nährstoffe aufnehmen und wieder an ihre Umgebung abgeben. In dieser Perspektive sind Gebäude keine statischen Strukturen, sondern lebendige Organismen, die sich durch die Synthese von Materialien, Technologien sowie menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen langsam weiterentwickeln.

Das Haus Am Strom 53, bekannt als das „Edvard-Munch-Haus“, ist ein prägnantes Beispiel dieser Sichtweise. Die Ausstellung „Am Strom 53: Poetics of Property“ lädt dazu ein, die Perspektive zu erweitern und die vielfältigen Welten zu kartieren, die dieses Haus ermöglichte und in denen es mitwirkte.

Wenn wir das Haus Am Strom 53 als das „Edvard-Munch-Haus“ bezeichnen, heben wir zwei bedeutende, dennoch kurze Phasen seines Lebens hervor: Die siebzehn Monate von 1907 bis 1908, als der norwegische Maler Edvard Munch hier lebte und arbeitete, und die letzten sechsundzwanzig Jahre, in denen das Gebäude als Kunstinstitution und Künstlerresidenz diente. „Am Strom 53: Poetics of Property“ versucht, die Perspektive auszudehnen. Nicht nur durch die Erweiterung des zu erkundenden Zeitraums, sondern auch durch die Kartierung der vielfältigen Welten, die das Haus Am Strom 53 ermöglichte und in denen es mitgewirkt hat.

In „Proserpina“ (1906) schrieb Ruskin, dass „Fasern der Vergangenheit für immer in das architektonische Werk eingewebt bleiben“. Die Ausstellung ergründet daher die Stimmen, die im heutigen Edvard-Munch-Haus noch eingebettet sind: von den besonderen Eigentumsformen der einst dort lebenden Fischerfamilien über die Auswirkungen des Tourismus und der Dampflokomotive auf die Fassade, die langwierigen Baukonflikte zwischen der ehemaligen Eigentümerin Lieselotte Zander und dem Rostocker Stadtamt bis hin zur Biografie des Birnbaums, der heute sterbend im Garten des Hauses steht.

Neben Archivmaterial und architektonischen Modellen der Architektin Katharina Wiedwald, die die bautypologische Entwicklung des Hauses darstellen, präsentiert die Ausstellung Werke der Künstler Espen Gleditsch, Leonard Rickhard und Olve Sande. Diese greifen die Poetik des Grenzüberschreitens auf, die sich im Haus entfaltet – zwischen Kultur und Natur, zwischen dem Gebauten und dem Gewachsenen.

Das Projekt wird großzügig unterstützt vom Office for Contemporary Art, Norway (OCA), der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung und der Hanse- und Universitätsstadt Rostock.

Die Ausstellung „Am Strom 53: Poetics of Property“ bietet eine einzigartige Gelegenheit, die tief verwurzelte und sich ständig verändernde Poetik eines historischen Gebäudes zu erkunden und ist noch bis zum 11. August zu sehen. Sie lädt die Besucher ein, in die vielschichtige Geschichte und lebendige Gegenwart des Edvard-Munch-Hauses einzutauchen.

Das Edvard-Munch-Haus Warnemünde, Am Strom 53, ist von Freitag bis Sonntag, 12 bis 17 Uhr, geöffnet.


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