Briese-Preisverleihung in Warnemünde: Kreatives Chaos in der Arktis


18. April 2023

Gestern fand im Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) die 13. Verleihung des Briese-Preises für Meeresforschung statt. Die Auszeichnung ging an Luisa von Albedyll. Die Jury würdigt ihre herausragende Forschung, die zum Verständnis dynamischer Prozesse beiträgt, die die Dicke von polarem Meereis beeinflussen. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Beitrag, um Zukunftsprojektionen von Klimawandelfolgen zu ermöglichen und somit Grundlage für wichtige politische, ökonomische und Umweltschutzentscheidungen. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Briese-Reederei gestiftet und vom IOW wissenschaftlich betreut.

„Die Weite und Stille von Eislandschaften und gleichzeitig ihre ungeheure Kraft und der starke Einfluss, mit denen sie die Umwelt formen und prägen – das hat mich schon vor Beginn meiner akademischen Laufbahn fasziniert. Endgültig verliebt in diese Welt habe ich mich aber bei meinem ersten Arktisaufenthalt auf Spitzbergen während des Bachelor-Studiums.“ So beschreibt Luisa von Albedyll, Wissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut Helmholz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und seit gestern Trägerin des Briese-Preises die Wurzeln ihres Forschungsfokus auf die Arktis. Es scheint nahezu eine logische Konsequenz, dass sie während ihrer Promotionszeit an der größten Polarexpedition aller Zeiten mit dem Forschungsschiff Polarstern teilnahm: die vom AWI geleitete MOSAiC*-Expedition (*kurz für Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate, „Multidisziplinäres Driftobservatorium zur Untersuchung des Arktisklimas“). Denn zu der großen Liebe für eisige Welten kommt für von Albedyll auch noch dies als ausschlaggebende Motivation hinzu: „Nirgendwo ist aktuell das Signal des Klimawandels deutlicher und besorgniserregender, als in der Arktis.“

Konkret hat sich Luisa von Albedyll im Rahmen der Expedition mit Prozessen befasst, die die Dicke des Meereises im Nordpolarmeer bestimmen. Dies ist zum einen das sogenannte thermodynamische Wachstum, bei dem das Meerwasser unter dem Eis gefriert und das Eis dadurch dicker wird. Ihr Fokus lag aber auf dynamischen Prozessen, die sich aus der Verformung vorhandenen Eises ergeben – das Auseinanderbrechen und Übereinanderschieben von Eisschollen, das in erster Linie durch den Einfluss des Windes erfolgt. Wenn sich im Meereis offenes Wasser auftut, bietet dies wiederum verbesserte Möglichkeiten, dass sich neues Meereis bildet. „Verformung des Eises – das Aufbrechen tiefer Rinnen und großer Wasserflächen, die anschließend wieder zufrieren, sowie das Auftürmen von Eisschollen zu meterhohen, spitzen Eisrücken – das sind Hotspots, in denen eine unglaubliche Dynamik in Bezug auf die Eisdicke herrscht, ein unglaublich spannendes kreatives Chaos“, so von Albedyll über ihren Forschungsgegenstand.

Um diesem Chaos zu Leibe zu rücken, wertete Luisa von Albedyll gewaltige Datenmengen aus. Eine der wichtigsten Erkenntnisse ihrer Doktorarbeit sei, wie stark die dynamischen Prozesse der Eisverformung die Eisdicke beeinflussen. Sie können für 30 bis 50 Prozent der Eisdicke verantwortlich sein. „Ich konnte erstmals eine direkte Verbindung zwischen der Verformung und der resultierenden Veränderungen der Eisdicke beschreiben“, hebt die passionierte Polarforscherin hervor. Damit sei ein neues Prozessverständnis entstanden, die Veränderungen der Meereisdicke in der Arktis in ihrer regional durchaus unterschiedlichen Dynamik sehr gut abzubilden und die Parameter in Modellrechnungen zu überprüfen. Das werde der Polarforschung helfen, die Vorhersagen der Eisdicke in den kommenden 20 bis 30 Jahren zu verbessern, meint von Albedyll. „Wir wissen, dass die Erderhitzung generell zu drastischen Verlusten von Meereis, insbesondere Sommereis, im Polarmeer führt – einerseits mit dramatischen Folgen für die dortigen Ökosysteme, andererseits mit unabsehbaren wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen durch die zunehmende Schiffbarkeit des Polarmeeres. Ich hoffe, dass ich mit meiner Forschung dazu beitragen kann, besonders schützenswerte Bereiche mit dickerem Eis zu identifizieren sowie Bereiche, in denen sichere Schifffahrt möglich ist“, erläutert die Briese-Preisträgerin abschließend.

„Ohne Frage hat sich die diesjährige Preisträgerin mit einem Thema von höchster Relevanz beschäftigt – der Entwicklung der Eisdicke in der Arktis, einem äußerst wichtigen Aspekt in Bezug auf die gravierenden Folgen des Klimawandels“, würdigt die Jury die Promotionsarbeit von Luisa von Albedyll. Anzahl und Qualität der seit Studienbeginn vorgelegten wissenschaftlichen Publikationen der 31-Jährigen (13 Stück; 5 als Erstautorin) seien außergewöhnlich, was auch wesentlich zur Bestwertung der Doktorarbeit beitrug (Note: 1 mit Auszeichnung, „Summa cum Laude“). Darüber hinaus habe Luisa von Albedyll ihre Promotion mit allem, was dazugehört, in weniger als vier Jahren bewältigt, einschließlich der großen Expedition, erschwerter Arbeitsbedingungen während der schärfsten Corona-Krise und einer siebenmonatigen Elternzeit – ein höchst beeindruckendes Zeugnis ihres Engagements und der großen Zielstrebigkeit der diesjährigen Preisträgerin.

„Für die Reederei Briese ist es immer eine große Freude, unseren Preis für Meeresforschung zu verleihen. Denn so lernen wir außergewöhnliche Wissenschaftstalente kennen und können sie durch diese Anerkennung weiter fördern. Mit Luisa von Albedyll zeichnen wir eine bemerkenswerte junge Frau aus, die mit ihrer herausragenden Promotionsleistung beeindruckt und sich schon seit Studienbeginn fokussiert mit einem Thema beschäftigt, das im Kern eine der größten Existenzfragen unserer Zeit berührt: dem Klimawandel, dessen Folgen aktuell in den Eisregionen der Erde besonders deutlich zutage treten“, betont Klaus Küper, Leiter der Abteilung Forschungsschifffahrt der Reederei Briese, anlässlich der diesjährigen Preisverleihung.

Der Briese-Preis für Meeresforschung wird von der Reederei Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG (Leer/ Ostfriesland) gestiftet, die für die Bereederung der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe, wie z. B. die Elisabeth Mann Borgese und die Heincke, sowie der größeren Forschungsschiffe Meteor, Marias S. Merian und Sonne zuständig ist. Das IOW betreut die Preisvergabe wissenschaftlich. Seit 2010 werden jährlich herausragende Promotionen in der Meeresforschung prämiert, deren Ergebnisse in engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Forschungsschiffen und der Verwendung und Entwicklung von Technik und/ oder Datenerhebung auf See stehen.

Foto: IOW / K. Beck


| | | |

Kommentieren Sie den Artikel

Name
E-Mail
(wird nicht veröffentlicht)
Kommentar
Sicherheitscode

Ich willige ein, dass DER WARNEMÜNDER die von mir überreichten Informationen und Kontaktdaten dazu verwendet um mit mir anlässlich meiner Kontaktaufnahme in Verbindung zu treten, hierüber zu kommunizieren und meine Anfrage abzuwickeln. Dies gilt insbesondere für die Verwendung der E-Mail-Adresse zum vorgenannten Zweck. Die Datenschutzerklärung kann hier eingesehen werden.*


|