Am Tag der Arbeit: Leere Stühle in Warnemünde


01. Mai 2020

Symbolträchtiger hätten Ort und Zeit des Geschehens kaum sein können: Etwa 100 Gastronomen und Hoteliers aus Warnemünde und Rostock beteiligten sich heute Mittag an der Aktion „Leere Stühle“ auf der Seepromenade. Hier, wo Hotels, Ferienwohnungen und Restaurants wie an einer Perlenkette aufgereiht sind, wuchs das, was am vergangenen Freitag auf dem Neuen Markt vor dem Rathaus zaghaft begann, heute, am Tag der Arbeit, zu einer handfesten Protestaktion heran. Alle Teilnehmer, vom großen Fünf-Sterne-Haus bis hin zur kleinen Absackerbar um die Ecke, eint die Angst um ihre Betriebe, die sie wegen der andauernden Schließung ernsthaft bedroht sehen.

Die Betreiberin des Rostocker Cafés „Stadtkind“, Stephanie Maass, hatte die Aktion aus der sächsischen Landeshauptstadt an die Küste getragen. Gerade in den sogenannten sozialen Netzwerken wurde sie deshalb in der vergangenen Woche oft sehr unsachlich attackiert. Zu Unrecht, denn: „Keiner von uns will eine Öffnung auf Kraft und wir wollen auch keinesfalls die Gesundheit der Wirtschaft unterordnen. Was wir aber fordern ist ein durchdachter Fahrplan für eine vorsichtigen Neustart“, betont die engagierte Wirtin. Von Misswirtschaft sei zudem keine Rede, denn auf einen Shutdown konnte sich niemand vorbereiten und sie stellt deshalb fest: „Wir alle lieben unseren Beruf und haben keinesfalls schlecht kalkuliert!“ In einem hölzernen Sarg trägt sie gemeinsam mit René Kroboth-Stolte von der Warnemünder Klönstuv die Gastronomie zu Grabe.

Am Leuchtturm aufgebaut ist auch ein erstes leeres Bett – beispielhaft für die nicht minder stark betroffenen gewerblichen und privaten Vermieter, die mit ihren Gästen letztlich die Tische in den Restaurants füllen. Auch sie warten auf den Lichtstreif am Horizont, der ihnen wieder die Luft zum Atmen gibt oder aber die Möglichkeit, endlich wieder Geld zu verdienen. „In der nächsten Woche sind auch wir dabei“, kündigt Torsten Dickmann, Vermieter exklusiver Ferienwohnungen in der Stadtvilla Warnemünde, an. Genau wie alle anderen touristischen Leistungsträger und Gastronomen wird er die Bund-Länder-Gespräche am kommenden Mittwoch aufmerksam mitverfolgen. Dann soll frühestens über den weiteren Umgang mit der Gastronomie und dem Tourismus entschieden werden. Bleiben die Infektionszahlen in Mecklenburg-Vorpommern so gering wie bisher, hat Ministerpräsidentin Manuela Schwesig schon angekündigt, der Gastronomie im nächsten Schritt die Öffnung zu ermöglichen. Wie genau diese aussieht und ob sie dann auch noch betriebswirtschaftlich vertretbar ist, bleibt abzuwarten. Nur um die Abstandsregel korrekt umzusetzen werden große Flächen benötigt. Diese aber sind in den allermeisten Fällen nicht vorhanden.

Der Shutdown des Tourismus und der Gastronomie dauert an. Hoteliers und Gastronomen aus der Region machen mit einer Kette aus leeren Stühlen und leeren Betten zwischen Leuchtturm und Hotel Neptun auf ihre prekäre Situation aufmerksam. Nach sechs Wochen des Stillstands und keiner positiven Aussicht auf Veränderung fordern sie strukturierte Maßnahmen zum besseren wirtschaftlichen handeln und planen. Konkret werden die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent ab dem ersten Tag, die dauerhafte Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen und Getränke im Gastgewerbe auf sieben Prozent, weitere nicht zurückzahlbare Soforthilfen sowie die Möglichkeit diese auch für den persönlichen Lebensunterhalt nutzen zu dürfen, das Aussetzen der Sondernutzungsgebühren für Außengastronomieflächen und eine klare Exit-Strategie gefordert. „Es ist völlig in Ordnung, noch zwei Wochen abzuwarten, doch Geduld zahlt am Ende keine Miete und das was wir jetzt gerade erleben ist eine verordnete Insolvenzverschleppung“, sagt der Warnemünder René Kroboth-Stolte. Er richtet sich schon auf weitere Aktionstage ein.


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UWS - 02.05.2020 um 12:28 Uhr
Betreff: Sargträger

Guten Tag,
die „Leerestühle Aktion“ der Rostocker Gastronomen und Hoteliers auf der Seepromenade in Warnemünde ist in Teilen beschämend und pietätlos zugleich. Tausende von Menschen weltweit und in Deutschland sind an dem Corona Virus gestorben. Wiederum Tausende von Ihnen, insbesondere in armen Ländern, können nicht anständig beerdigt werden; es stehen nicht genügend Särge zur Verfügung. Aber in dem Luxusland Deutschland tragen in Rostock gelangweilte Gastronomen und Hoteliers einen Sarg durch die Gegend und machen auf sich aufmerksam. Das ist unanständig und unangemessen zugleich. Ebenfalls jammern Eigentümer von Luxus Ferienwohnungen vor sich hin. Offensichtlich haben sie vergessen, dass 10 „fette“ Jahre hinter ihnen liegen. Das gleiche gilt übrigens auch für Hoteliers, die seit Jahren regelmäßig Auslastungen von über 90% zu verzeichnen haben.
Es ist zu hoffen, dass in nächster Zeit der gesunde Menschenverstand bei den meisten zurückkehrt, und man sich nicht mehr für sie schämen muss.
Hören Sie auf zu jammern und bleiben Sie gesund.
Manfred Kammerer - 01.05.2020 um 16:53 Uhr
"Was wir aber fordern ist ein durchdachter Fahrplan für einen vorsichtigen Neustart“ sagt Stephanie Maas. Niemand kann aufgrund fehlendem Wissen einen solchen Plan erarbeiten. Wir alle, inklusive der "Experten", wissen noch viel zu wenig über die Wirkung dieses Virus. Da kann man sich aufregen und/oder ärgern - das bringt aber gar nix.
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