Mit dem Segelboot ins Herz der Blaualgenblüte


22. Mai 2018

Am Sonnabend, 19. Mai, startete Jens Müller vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) seine viermonatige Segelexpedition Bloom Sail. Ziel ist die Erforschung von Blaualgenteppichen in der zentralen Ostsee.

Bei ruhigem Sommerwetter zeigt sich alljährlich ein Phänomen in der Ostsee, das zwei der größten Umweltprobleme des Binnenmeeres – die Überdüngung und die Sauerstoffnot am Grund der tiefen Ostseebecken – miteinander verbindet: Es bilden sich die sogenannten Blaualgenblüten. Das sind Massenentwicklungen von im Wasser schwebenden Cyanobakterien, die wie pflanzliche Algen Photosynthese betreiben und darüber hinaus ohne im Wasser gelöste Stickstoff-Pflanzennährsalze auskommen. Sie können den in der Luft vorhandenen Stickstoff für ihr Wachstum nutzen und produzieren dicke Algenteppiche, die sogar aus dem All per Satellit deutlich sichtbar sind. Ermöglicht wird die massenhafte Vermehrung auch durch Phosphor, der durch die Überdüngung der Ostsee im Überfluss vorhanden ist. Nach ihrem Absterben sinken die Blaualgen auf den Meeresboden, wo andere Bakterien sie zersetzen und dabei den verfügbaren Sauerstoff verbrauchen. Damit tragen die jährlichen Blaualgenblüten auch maßgeblich zur Entstehung der sogenannten Todeszonen am Ostseegrund bei.

Trotz ihres regelmäßigen Auftretens und ihrer großen Bedeutung für das Ökosystem Ostsee gibt es noch erstaunlich viele Wissenslücken in Bezug auf Blaualgenblüten. Das soll sich mit der Expedition „Bloom Sail“ von Jens Müller ändern. Ausgehend von seinem Basishafen Herrvik auf Gotland wird der IOW-Meereschemiker in der Blaualgen-Hauptsaison von Anfang Juni bis Ende August mit der acht Metern langen Segelyacht Tina V auf täglichen Törns zur Messstation BY15 im Gotlandtief ein Messprogramm in verschiedenen Wassertiefen durchführen, um das, was an der Wasseroberfläche per Satellit und dem automatisierten Fähren-Messprogramm erfasst wird, durch Messungen im tieferen Wasser zu ergänzen. So soll die gesamte Dynamik der pulsartig innerhalb weniger Tage einsetzenden und sich oft rasant weiterentwickelnden Blaualgenblüte erfasst und beschrieben werden. „Dabei kommen mir die Vorteile eines Segelbootes zu Gute: Ich kann flexibel genau dann vor Ort sein, wenn die Blaualgen so richtig loslegen. Große Forschungsschiffe, die ein bis zwei Jahre im Voraus verplant werden, können das einfach nicht“, erläutert Müller, der bei seinen Arbeiten von jeweils zwei im Zwei-Wochen-Takt wechselnden Crew-Mitgliedern unterstützt wird. „Es wird Geduld und auch etwas Glück brauchen, in so einem relativ großen Zeitfenster erfolgreich auf ‚Blütenjagd‘ zu gehen, aber ich kann mir kaum einen besseren Sommerarbeitsplatz vorstellen“, fügt der begeisterte Segler augenzwinkernd hinzu.

Mitte September, wenn Jens Müller und seine Crew wieder im Heimathafen Warnemünde festmachen, kann die ausführliche Proben- und Datenauswertung beginnen. „Wir werden dann viel genauer wissen, wie eine Blaualgenblüte tatsächlich ‚tickt‘. Wenn wir ihre zeitliche und räumliche Dynamik auch in tieferen Wasserschichten besser verstehen, kann dies ein wichtiger und ganz grundlegender Puzzlestein für die unterschiedlichsten Modellierungen und Ökosystemanalysen in der Ostsee sein“, so der IOW-Wissenschaftler abschließend.

Finanziert wird die Bloom Sail-Expedition vom IOW und im Rahmen des EU-Projektes Bonus Integral. Jens Müller erhält darüber hinaus ein „Early Career“-Stipendium von National Geographic für sein BloomSail-Projekt.

Foto: IOW / K. Beck


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